Emanzipation im 17. Jahrhundert

Ninon de Lenclos (1620-1705) ist ohnehin eine der eindrücklichsten (weil selbständigsten) Persönlichkeiten des 17. (aber auch jedes anderen) Jahrhunderts.

Im Vergleich zu ihr und ihren Freundinnen (Marion de Lorme [1613-1650], Marguerite Rambouillet de La Sablière [1636-1693] oder Königin Christine von Schweden [1626-1689], nicht zu sprechen von den berühmt-berüchtigen Schriftstellerinnen Mme. de Maintenon [1635-1719], Mme. de Sévigné [1626-1696] und Mlle. de Scudéry [1607-1701]) scheint die Emanzipation in den letzten 400 Jahren nicht wirklich vorangekommen zu sein, obwohl – oder vielleicht gerade weil – deren Verhältnis zur Sinnlichkeit ein deutlich unverkrampfteres war.

Gerüchte über das Jenseits

Monsieur de La Rivière […] war ein für seine spöttischen Bemerkungen bekannter Freigeist. Als man ihn eines Tages über seine Ansichten vom Jenseits befragte, erwiderte er: “Um die Wahrheit zu sagen, ich finde die Gerüchte, die darüber im Umlauf sind, sehr lästig.”

Annie Brierre:
Ninon de Lenclos. Kurtisane zur Zeit des Sonnenkönigs, Lausanne 1971, 197

Prüderie im 17. und 21. Jahrhundert

Erzählt Tallemant des Réaux (1619-1692) in seinen Historiettes, über Heinrich IV. (1553-1610) in der gleichnamigen Geschichte zur Begegnung Heinrichs mit Fanuche, einer seiner vielen Geliebten:

Quand on luy produisit la Fanuche, qu’on luy faisoit passer pour pucelle, il trouva le chemin assez frayé et il se mit à siffler. « Que veut dire cela? » luy dit-elle. — « C’est » respondit-il, que j’appelle ceux qui ont passé par icy. — Picquez, picquez, » dist-elle. « vous les attraperrez. »

Den letzten Satz (also die Antwort Fanuches auf Heinrichs freche Bemerkung) findet man nicht in der 1. und 2. Ausgabe der Historiette von 1834 und 1840. Sucht man in Google nach Tallemant und Fanuche kommt man auf diese verstümmelten Fassungen (ebenso die Encyclopédie de l’Agora). Prüderie des 19. Jahrhunderts, die sich auf Internet fortsetzt. Erst in der 3. Ausgabe von Mommerqué und Paulin im Jahre 1862 findet sich der vollständige Text (vgl. Archive.Org hier, bzw. im dirketen Link auf Google Books hier).

Raoul Rosières übrigens, in seiner Publikation (Une Historiette de Tallemant des Réaux, annoté par un folkloriste, Paris 1894, 12) zweifelt unter Verweis auf Bonaventura des Périers wohl zurecht an der Authentizität der Bemerkung.