Samael

Und wenn wir schon bei Engeln und Dämonen sind, so sei auch Samael erwähnt, ein Erzengel oder Dämon (man ist sich nicht einig, ob er gut ist oder schlecht), der Engel des Todes, der im siebten Himmel wohnt, aber Herrscher des fünften Himmels ist, wo er über zwei Millionen Engel gebietet, nach dem Talmud – wie sinnig für den Fürsten der Dunkelheit – auch er blind.

Metatron

Einst, vor langer Zeit, mindestens drei Leben ist es her, da kannte ich einen Mann, möglicherweise den kultiviertesten Mensch, den ich je kennengelernt habe. Fliessend Deutsch, Französich, Englisch, Italienisch und Spanisch, aber auch Griechisch und Arabisch, und einiges mehr. Mehrere Bilder von El Greco an den Wänden seiner Wohung, und einen arabischen Schild mit Einlegearbeiten so fein und perfekt ausgeführt, dass es einem den Atem verschlug. Kein Wunder, dass ihm das Nationalmuseum verschiedentlich schon unglaublich hohe Preise dafür geboten hatte. Kennengelernt hatte ich ihn in meiner (und seiner) Lieblingsbuchhandlung, einer ehemals für ihre Bedeutung für den antifaschistischen Widerstand berühmten Institution. Manches Weihnachtsfest haben wir zusammen bei unserer Buchhändlerin gefeiert, die jeweils für die Feiertage alle ihre Kunden einlud, die sonst alleine gewesen wären. Dieser Mann, nun schon lange tot, weil schwul und HIV-positiv zur falschen Zeit, hatte mir von Metatron erzählt, einem Erzengel der jüdischen Mythologie, dem Höchstrangige Engel nach Gott, „Statthalter des Himmels“ und „König der Engel“, und mich danach gefragt, ob ich ein Gedicht über ihn kenne. Dieses Gedicht nun hatte ich verloren im Dunkel der Zeit und viele Jahre gesucht. Vor ein paar Tagen nun habe ich es, oder besser: hat es mich wiedergefunden. Hier ist es:

metatron

er sieht nicht

was er von den ungerecht verlassnen
nimmt die nutzlos warten nächtelang
neben einem telephon vom alten dem
heut in der früh die katze überfahren von den kindern
die sich mühn die verbrühten rücken zu verstecken
von den frauen die um ihre männer weinen
die sie doch geschlagen haben

in leuchtend transparentem antlitz
das gewoben scheint aus feinsten silberfäden
starren seine leeren augenhöhlen stumm
dieweil er ruhig seine arbeit tut
was seine hand indessen fasst und von
den geschundnen nimmt aus deren mund
blauschwarze blumen wachsen immerfort

er sieht es nicht das leid

das er seinem herrn
in die krone flicht

Ach ja, ich vergass, das Interessanteste zu erwähnen: Metatron hat nicht nur die Aufgabe, den Willen Gottes an die Propheten, Engel und Dämonen zu übermitteln, seine wichtigste Aufgabe (über die sich kaum etwas findet) ist, das Leid der Menschen, die zu Gott kommen, von ihnen zu nehmen und Gott aufzuladen. Und damit er das überhaupt ertragen kann, ist er blind.


Eher humoristisch angemerkt sei, dass die englisch-sprachige Wikipedia ausdrücklich darauf hinweist, dass Metatron nicht zu verwechseln sei mit Megatron, einer Figur aus den Transformers-Filmen, dessen Eintrag verdienterweise sechs Mal umfangreicher ausfällt.