Aussergewöhnlich

Als ich klein war, glaubte ich, dass viel zu wissen helfen würde. Viel zu lesen, so meinte ich, sei eo ipso gut. Noch während meines Studiums verfertigte ich Listen von Büchern, die ich unbedingt lesen musste. Die Tatsache, dass ein Leben dazu nicht ausreichen würde, skandalisierte mich, doch liess ich mich nicht abhalten, wenigstens das Mögliche zu versuchen. Und so las ich denn mit Hingabe und Begeisterung, mit Horror und Glückseligkeit. Jeden Tag ein Buch. Was für ein Irrwitz! Ich hatte nicht bedacht, dass niemand da sein würde, es mit mir zu teilen. Auch Du hast mich nicht gewarnt. Natürlich. Viel zu lesen, zu wissen oder zu verstehen, scharf zu sehen oder sehr genau zu hören, entfernt uns von den anderen. Sie verstehen nicht, wovon wir reden.

Das Aussergewöhnliche erscheint uns als Geschenk. Kindern gleich lassen wir uns übertölpeln. Nehmen es stolz und dankbar entgegen. Tatsächlich aber bezahlen wir es teuer. Mit Sprachlosigkeit. Mit Schweigen. Also letztlich mit unserer Einsamkeit. Vielleicht liegt der Schlüssel zum Glück in der Beschränktheit.

Gott muss sehr einsam sein. Und sehr traurig.

Schweigen

Wie seltsam: Immer weiss ich, immer, wenn Du mich anlügst. Die Stimme schwankt und stolpert, die Augen buchstabieren es auch für den Dümmsten. Am deutlichsten aber: Dein Schweigen. Meist sagen wir das Wichtigste, wenn wir nicht reden.