Aussergewöhnlich, nochmals

by | Jan 26, 2015 | Die Bemerkung | 0 comments

Erg hat hier die Bemerkung bestritten, dass Wissen uns einsam mache. Wortreich und heftig hat er sich gegen die Traurigkeit gewendet. Und recht getan hat er. Wiederholt haben wir hier festgestellt, dass es eine Pflicht gibt, glücklich zu sein. Nur Glückliche können anderen helfen, nur Glückliche oder Glücklich-Scheinende können Kraft geben.


                                              singular then
Is the human way; for the ego is a dream
Till a neighbor’s need by name create it;
Man has no mean; his mirrors distort;
His greenest arcadias have ghosts too;
His utopias tempt to eternal youth
Or self-slaughter.

Wystan Hugh Auden, The Age of Anxiety


So weit, so gut. Oder eben nicht. Denn die Traurigkeit ergibt sich ja nicht, weil “Wissen” nicht vermag, was wir gerne hätten, dass es könne. Es sind nicht unsere Erwartungen an das Wissen, das Verstehen, das Reflektieren, die enttäuscht werden und uns so betrüben. Vielmehr ist es unsere Konsternation darüber, dass uns unsere geistigen Anstrengungen nicht nur nichts nützen (das wäre Ergs Argument), sondern dass sie uns im Gegenteil unmittelbar schaden. Sie verbinden uns nicht nur nicht mit den anderen. Sie entfernen uns von ihnen. Denk Dir nur einen sehr feinen Witz, eine sehr subtile Bemerkung oder eine sehr kultivierte Anspielung. In einem Raum mit ein paar Dutzend Leuten wird kaum einer schmunzeln. Lacht er gar, so gibt er sich damit zu erkennen und die anderen werden sich verwundert, verstört, belustigt oder verärgert nach ihm umdrehen. Nein, Wissen verbindet nicht. Es trennt uns. Weil wir darüber nicht kommunizieren können.

Ich sage das nur ungern, weil ich mich wiederhole, aber nichts, rein gar nichts, was nicht auf der Haut spürbar wird, hat Bedeutung. Was nicht auf der Haut ist, bleibt Geschwätz. Wer wüsste besser als wir Intellektuelle, dass sich alles begründen lässt. Überzeugend begründen! Das ist ja das Erschreckende. Nicht zu wenige Gründe finden sich, sondern zu viele. Für alles und jedes. Und nicht die Ratio verbindet uns, sondern das Gefühl. Empathie!

Aber natürlich. Nichts, was Erg schreibt, geht völlig fehl. (Ich vermute ja, er versucht, sich selbst zu überzeugen. Daher die Vehemenz). Es gibt sie schon, die Konstellation, in der Reflexion, Finesse, Differenzierung und Kenntnis uns verbinden, uns halten. Eine Konstellation, in der Ratio und Gefühl verschwimmen, denn nur Sinnlichkeit und Gefühl wärmen uns. Aber das ist immer in Abgrenzung. Zu anderen, zu den Gartenzwergen, den Uneingeweihten, Ahnungslosen, den Büffeln und Kühen, zu den Buchhaltern und Prokuristen. Erglein, ach Erglein, was soll bloss aus uns werdlein?

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  1. Kultur als Instrument der Vereinsamung | - […] hatten schon darüber gesprochen (hier und hier), dass Kultur (oder vielleicht besser Kultuviertheit) einsam und damit traurig mache. […]

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