by Filifjonka | Jul 27, 2013
Berichtet Charles Desmaze, in seinen Curiosités des Anciennes Justice d’après leurs registres, Trésor Judiciaire de la France, Paris 1867, 317 f.:
En 1290, une femme de Paris procura à un juif nommé Jonathas une hostie consacrée. Ce dernier, après l’avoir percée à coups de canif, et en avoir vu couler le sang, après l’avoir jetée au feu et l’avoir vue voltiger sur les flammes, la mit dans la chaudière d’eau bouillante, qu’elle rougit sans en être altérée. Une indiscrétion du fils de Jonathas et la curiosité d’une voisine firent connaître cette tentative sacrilège; la voisine recueillit l’hostie et la porta au curé de Saint-Jean en Grève; Jonathas fut arrêté par l’évêque de Paris, avoua son crime, fut brûlé vif, es sa maison rasée de fond en cime.
Und weil es ja schade gewesen wäre, das schöne Grundstück unnütz liegen zu lassen, hat man es einem guten Zweck zugeführt:
En 1294, une chapelle dite la Maison des Miracles, et bâtie par Rainier Flamming, s’éleva sur le terrain de Jonathas; Guy de Joinville y fonda un monastère, agrandi en 1299 par Philippe le Bel; Clémence de Hongrie enrichit ce couvent où Dieu fut bouilli, et en 1685 on lisait encore cette inscription:
Ci-dessous le juif fit bouillir la sainte hostie.
Wie schön, dass Strafverfolgung immer wieder das Gute fördert.
by Filifjonka | Jul 24, 2013
Kennt oder hört irgendjemand Sigismund Thalberg? Das war mal einer der berühmtesten Klaviervirtuosen, der nicht nur Fantasien über Opernmelodien Donizettis, Bellinis oder Verdis geschrieben hat, sondern auch die phantastischen “Soirées de Pausilippe”. Ähnlich ging es Leopold Godowsky oder Moriz Rosenthal (auch wenn der “nur” gespielt hat und nicht auch extensiv komponiert). Kaum etwas ist so passé wie die Stars von einst. Aber Thalberg, Thalberg!
by Filifjonka | Jul 23, 2013
Wen würde man fragen zur deutschen Politik und bevorstehenden Wahl in Deutschland? Einen Politiker oder doch lieber einen Politologen? SRF4, sich immerhin als News-Sender verstehend, entscheidet sich für Campino, dem “Frontmann” (so der Sender) der Toten Hosen.
Nur, warum sollte dessen Meinung zur deutschen Politik bedeutsamer sein als z.B. die meines Bruders, der zudem den Vorteil aufweist, dass ich ihn persönlich kenne? Oder der Bäckerin, bei der ich mein Brot kaufe? Was unterscheidet Campino von ihnen? Dass er Deutscher ist, kann es ja wohl nicht sein, denn davon gibt es mehr als 80 Mio., und auch fast 300’000 in der Schweiz, die deshalb auch leicht und billig erreichbar sind. Ach ja, ich Dummerle, er ist ja berühmt.
Das dürfte auch der Grund sein, dass Fussballer Bücher schreiben, Tennisstars Parfums kreieren, Politiker malen und Musiker Politik kommentieren.
by Filifjonka | Jul 21, 2013
Wir hatten bemerkt, dass Floriot viele Beispiele für die Bedeutung des Kontextes einer Aussage bringe. Eines sei nachfolgend wiedergegeben (René Floriot, Für den Angeklagten, Hamburg 1960, 98 f., orig. Au banc de la défense, Paris 1959):
Vor über zwanzig Jahren verteidigte ich einen Kaufmann, der sich in einem Restaurant mit einem anderen Gast gestritten und ihm dabei einen wuchtigen Faustschlag versetzt hatte. Der Mann war hintenübergekippt, hatte sich beim Fall einen Schädelbruch zugezogen und war einige Stunden darauf gestorben. Er hinterliess eine Witwe mit vier minderjährigen Kindern. Die Geschworenen waren erschüttert über die Folgen des unglücklichen Schlages und schienen zu harter Strafe entschlossen.
Dr. Paul nahm die Obduktion der Leiche vor. In seinem Gutachten führte er aus, dass sich bei der Untersuchung der Leber ein chronischer Alkoholismus herausgestellt habe. Im Gerichtssaal vergisst er dieses Detail. Natürlich frage ich danach:
“Herr Doktor, Sie haben die Leber des Opfers untersucht. Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?”
“Es handelt sich unverkennbar um die Leber eines Alkoholikers.”
Die Haltung der Geschworenen änderte sich sofort. Sie sahen in dem Opfer einen jener ruaflustigen Trunkenbolde, die nach dem Genuss von Alkohol um so eher Streit suchen, als ihre Körpermasse jedem Achtung einflössen. Der Gerichtsmediziner hatte festgestellt, dass das Opfer ein Meter fünfundachtzig gross war.
Ich brauchte also den Zeugen nur reden zu lassen, und der Freispruch war sicher. Doch triebt es mich leider, meinen Vorteil noch weiter auszunutzen.
“Herr Doktor, Sie hatten das Wort ‘Alkoholiker’ noch näher bestimmt, ich hätte gern, dass Sie es vor den Herren Geschworenen wiederholten.”
Und Dr. Paul ergänzt sogleich:
“Ich habe in der Tat angegeben, dass es sich um einen chronischen Alkoholiker handelt.”
Besser konnte es gar nicht gehen. Aber der Gerichtsmediziner merkte, dass die Geschworenen über diesen letzten Hinweis sehr betroffen waren, und stellt lächelnd klar:
“Freilich möchte ich den Herren Geschworenen dazu sagen, dass man als chronischen Alkoholiker einen Menschen bezeichnet, das ein oder zwei Aperitifs vor dem Essen und danach einen Verdauungsschnaps trinkt.”
Die Geschworenen sahen sich erneut an. Diese einfache Bemerkung hatte ihre Meinung gründlich gewandelt. Vielleicht hielten es einige von ihnen mit der vom Zeugen beschriebenen Lebensweise. Zumindest aber hatten sie Freunde, die auf diese Weise ihrer Gesundheit lebten, ohne deshalb gleich eine Gefahr für ihre Mitmenschen darzustellen. Der Bann war gebrochen, und es wehte wieder ein sehr viel strengerer Wind.
by Filifjonka | Jul 21, 2013
Interessant und mit der Transzendenz des Rechts direkt in Zusammenhang stehen verschiedene Bemerkungen zur Bedeutung des Kontextes von Äusserungen (im Strafverfahren; alle Zitate aus René Floriot, Für den Angeklagten, Hamburg 1960, orig. Au banc de la défense, Paris 1959):
Derselbe Witz, der in einer raffinierten Betrugsaffäre beifälliges Gelächter erregt, wird eisigem Schweigen begegnen, wenn es sich um ein Kapitalverbrechen handelt, dessen Opfer drei kleine Waisen hinterlässt. (36)
Vorweg eine Bemerkung zum Prozess (zwar zum Geschworenenprozess, aber die Bemerkung kann auch Gültigkeit für andere Prozesse beanspruchen):
Nicht zu unrecht sagt man, dass es vor dem Schwurgericht keine absolut sicheren oder aussichtslosen Fälle gibt. (62)
Und zum Ablauf:
Könnte man einen Prozess mehrere Male wiederholen, mit denselben Richtern, Staatsanwälten und Verteidigern, aber jedesmal mit anderen Geschworenen, so würden die Urteile sehr verschieden ausfallen. (64)
Nicht die Geschworenen allein aber sind bedeutsam, auch der Vorsitzende:
Wenn man denselben Prozess mit denselben Personen, aber mit anderen Vorsitzenden mehrere Male wiederholte, würden die Ergebnisse sehr verschieden ausfallen, selbst wenn der Richter jedesmal für dasselbe Urteil stimmte. (74)
Man bemerke den Nachsatz: Selbst wenn der Inhalt des Richterspruchs derselbe wäre, bliebe die Persönlichkeit des Richters bedeutsam. Und Floriot bringt dafür einen Berg von Beispielen.
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