by Filifjonka | Jul 5, 2013
Hat man Töne. Fast alle Medien (vgl. hier nur die NZZ) berichten über eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz (Hochschule für angewandte Psychologie), die sog. Work-Anywhere-Studie (hier die Resultate), die in Zusammenarbeit mit SBB und Swisscom erstellt wurde (hier die Medienmitteilung). Wer die Studie anschaut, erfährt, dass sage und schreibe 260 Probanden untersucht wurden. Hui. Und – so SRF (10vor10, bei Minute 9:30) – dass bei flexiblen Arbeitszeiten von rund 370’000 Pendlern rund 28’000 die Stosszeiten vermeiden würden, d.h. also 7% weniger Fahrten zu den Hauptverkehrszeiten erfolgen würden (vgl. S. 8 f.). Dann werden die Züge tatsächlich fast leer sein, wie der eben zitierte Beitrag von 10vor10 auch bildlich darstellt (Minute 9:05).
by Filifjonka | Jul 4, 2013
Die islamisch-konservative Regierung der Türkei hat den Sturz des islamistischen Präsidenten Mursi scharf kritisiert. […] In der Türkei hat das Militär mehrfach geputscht. Erdogan hat die Macht der Streitkräfte in den vergangenen Jahren eingeschränkt.
Soweit der Bericht von SRF. Aha, denkt man sich, das versteht sich ja. Diejenigen, die spüren, dass es mit ihnen durchaus ähnlich gehen könnte, wie eben Erdogan (selbst gerade mit dem Taksim-Platz beschäftigt), sind skeptisch. Aber andere werden das anders sehen, würde man meinen. Aber nein, weit gefehlt:
Der britische Aussenminister William Hague übte Kritik an der Entmachtung Mursis und meinte, das Vereinigte Königreich unterstütze kein militärisches Eingreifen als Weg, Konflikte in einem demokratischen System zu lösen.
Phantastisch konstruktiv. Da will eine Bevölkerung ihre Regierung nicht mehr und kann sie nicht loswerden. Was tun? Was könnte die noble europäische Politik wohl vorschlagen: Aussitzen und abwarten. Gut britisch. Und wenn man weniger geduldig ist? Bürgerkrieg à la Syrien. Aha. Und sonst? Nichts, eigentlich. Denn das Militär darf ja nicht mitmischen. Das ist gegen die Regeln. Und zwar immer und grundsätzlich. Dann doch lieber religiöse Fanatiker, solange die nur demokratisch gewählt sind. Denn erlaubt und richtig ist alles, was die Mehrheit will. Kein Wunder, dass Europa abschmiert.
Aber die USA werden das vielleicht verstehen, denkt man. Pustekuchen:
Auch US-Präsident Barack Obama zeigte sich tief besorgt über die Entmachtung Mursis durch das Militär und verlangte die Rückkehr zu einer demokratischen Regierung.
Gut amerikanisch ist man besorg und verlangt etwas. Das kostet auch nichts. Eia Weihnacht! Eia Weihnacht!
Demokratie, sagt Jorge Luis Borges irgendwo, und Borges war wirklich alles andere als ein Dummkopf, sei ein Missbrauch der Statistik.
by Filifjonka | Jun 30, 2013
Spricht Anatole France, der Weise:
la vertu n’est pas récompensée parce qu’elle est la vertu, ni le vice puni parce qu’il est le vice. Récompenses et châtiments giboulent sur nous, au collège, et dans le monde, comme la grêle en mars. Ce ne sont point les coeurs purs qui évitent l’averse, mais les gens munis de parapluies.
Jean-Jacques Brousson: Anatole France en pantoufles, Paris 1924, 184.
by Filifjonka | Jun 29, 2013

Freiburger Verkehrspolitik
by Filifjonka | Jun 29, 2013
Was könnte das für eine Gesellschaft sein, in der Energie darauf verwendet wird, Menschen zu verfolgen, die einen Kaugummi nicht in den Abfalleimer werfen sondern auf die Strasse, die ausspucken oder gar zu schnell fahren?
Offensichtlich eine, in der nicht nur alle genug zu essen haben, sondern auch Kinder nicht misshandelt oder vernachlässigt werden, Frauen treu sind und Freunde nicht weinen müssen, ohne dass man ihnen helfen kann. Eine Gesellschaft, in der alles wohlgeordnet, kontrolliert und sinnhaft erscheint, vom HErrgott selbst für den Menschen liebevoll vorbereitet, ein Ort, wo selbst der Gast seine Schuhe auszieht und vor der Tür abstellt, bevor er eintritt, eine, in der der Müll getrennt und weder geraucht noch zuviel getrunken wird.
Was für eine schöne (neue) Welt. Aber, aber, aber:
Als König Kreon Antigone verbietet, ihren Bruder Polyneikes zu beerdigen, weil der das Vaterland verraten habe, widersetzt sich Antigone mit dem ebenso simplen wie effektiven Satz: “Aber Polyneikes ist mein Bruder!”, einem Satz, der die Essenz des Menschen enthält. Und diese Essenz besteht nicht in der Verwandtschaft oder der Geschwisterliebe, sondern im Partikel “aber”. Denn wenn etwas den Menschen kennzeichnet und definiert, ja auszeichnet, so ist es die Revolte, die Revolte gegen das scheinbar Unabänderlich, die Revolte gegen die Regel, die Revolte letztlich gegen sein Schicksal (vgl. Rage, rage against the dying of the light). Der Anklang an Camus und seinen “L’Homme révolté” ist nicht abwegig.
Egal ob Poesie, Menschlichkeit oder Liebe: Regel und Regulierung sind ihre Feinde. Aber das wissen die Gartenzwerge ja durchaus. Nur ist ihnen eben eine ruhige und sichere Existenz (Leben möchte man das nicht wirklich nennen) lieber, auch wenn sie um den Preis der Kälte erworben werden muss.
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