Ein Katalog der Welt

Viele grosse Unternehmungen pflegen die Tradition, ihre Fahrnissachen mit einer Nummernetikette kennzeichnen, ihnen eine sog. „Fixed Asset Number“ zu verpassen. Bei wartungsbedürftigen und zugleich verwechselbaren Gegenständen wie etwa Computern mag dies durchaus einleuchten. Es ist indes durchaus erstaunlich, mit welcher Genauigkeit diese Nummern bisweisen verteilt werden. In manchem Grossunternehmen wird jeder Bürostuhl markiert. Auch in Polen scheint das Markieren und Numerieren sehr beliebt zu sein (obwohl nicht immer ganz konsequent: In manchen Hotels werden zwar die Nachttischchen, nicht jedoch die Sessel etikettiert, obwohl der wirtschaftliche Wert der entsprechenden Gegenstände wohl durchaus vergleichbar ist). Hier ein Beispiel aus dem Warschauer Flughafen:

FixedAsset

Kein Seifenspender und kein Klopapierhalter entgeht hier seinem unausweichlichen Schicksal der Katalogisierung. Wahrscheinlich ist der Flughafen Warszawa (Okecie, a.k.a. Chopin) umfassend katalogisiert. Geht alles mir rechten Dingen zu, korrespondiert mit all den katalogisierten Gegenständen auch ein Katalog. Ein Katalog dieser kleinen, durchorganisierten, vollklimatisierten Welt. Vielleicht in Form einer durchsuchbaren Datenbank, in der man mit einem Blick jeden Seifenspender aus Edelstahl, jede Steckdose und jede Sitzbank lokalisieren kann. Aus der man das genaue Inventar der Herrentoilette der Lounge „Ballada“ ersehen kann, bis hin zum Klopapierhalter.

Ob bisweilen Inventar gemacht wird? Wandert dann ein Mitarbeiter des Flughafens mit einem Barcodeleser durch das Gebäude und liest alle Nummern ein? Damit man auch sicher sein kann, dass nicht heimlich Mitarbeiter, die einen schwunghaften Handel mit Klopapierhaltern oder Seifenspendern aus Edelstahl betreiben, heimlich die Dinger in der Damentoilette abmontieren und sie in der Herrentoilette anschrauben und so den Eindruck eines vollständig ausgerüsteten Flughafens erwecken, während es im ganzen Flughafen nur einen einzigen Seifenspender und einen einzigen Klopapierhalter gibt, der jeweilen vor den Kontrolleuren hermontiert wird. So weit hergeholt ist das doch nicht, denn Hand aufs Herz: Kann man denn als nicht-Gott so sicher sein, dass es alle anderen Toiletten auf dem Flughafen auch gibt, während man sich auf einer befindet. Immerhin: Wer im Katalog blättert, findet eine vollständige Welt vor.

Ferienmeldung

Es passiert oft, dass wir als Antwort auf eine Mail eine Nachricht folgender Art bekommen:

Vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich bin vom 1. bis zum 21. September nicht anwesend. Bei dringenden Angelegenheiten, bitte wenden Sie sich an…

Jeder weiß damit, dass wir in die Ferien gegangen sind.

Lustig ist es, wenn die Nachricht zwei Monate alt ist und niemand sich gewagt hat, es dem Ferienliebhaber mitzuteilen.

Momentan nehme ich bis 02.05. keine Mails entgegen. Bei dringenden Mitteilungen bitte ich um Geduld.

Nun eine zweite, diesmal absurde Fallkonstellation. Man kriegt die Ferienmeldung und einige Minuten später eine richtige Antwort. Die Ferienmeldung ist in diesem Fall nicht nutzlos. Sie zeigt, dass derjenige, der antwortet, seine Mails sogar in den Ferien regelmäßig liest und beantwortet. Die Ferienmeldung ist in diesem Fall gelogen.

Leider bin ich wieder in den Ferien (ich bin mir aber sicher, dass ihr mir nicht glaubt)… Meine Antworten können somit bis zu 5 Minuten 23 Sekunden Verspätung haben. Na ja, ihr wisst alle, dass ich nie so rasch antworte, wie wenn ich in den Ferien bin.

Noch interessanter wird es, wenn einer die Ferienmeldung unmittelbar veröffentlicht. Man mag an die zahlreichen Posts auf Facebook denken, wo man gerade auf einer Karte sehen kann, dass einer sich am Flughafen Zürich befindet und dazu noch schreibt: “Bye Bye Switzerland. See you in one month!” Das gleiche kann auf Twitter gelesen werden.

Obwohl verständlich ist, dass einer seine Freude über seine Ferien informieren will, klingen diese Berichte oft wie:

I won’t be there for the next two months. Would you be so kind as to rob me while I’m on vacation. It would be great to come back and find my home cleaned up. #easyrobbery #robityourself #richpeopleonvacation #bigrobnorisks

Dazu kommt, dass es mit einer Identität einfach ist herauszufinden, wo einer wohnt. Dieser Aufwand wird dem Dieb manchmal sogar erspart, indem die Adresse direkt auf dem Profil zu lesen ist …

Privatsphäre als Versteck

Immer wieder hört man, Überwachung und Kontrolle seien doch nicht problematisch, wenn man nichts zu verstecken habe. Unterstellt wird also, dass nur Leute Privatsphäre einfordern, die etwas (Zweifelhaftes, Illegales, Dubioses) verstecken möchten.

Ich für meinen Teil bin mir aber nicht bewusst, etwas Unzulässiges, Illegales oder auch nur Zweifelhaftes zu tun, wenn ich auf die Toilette gehe, und ich nehme auch an, dass ziemlich jeder weiss, was ich dort tue. Ist nun mein Bestreben die Geheimhaltung, wenn ich nicht wünsche, dass man mir dabei zusieht. Habe ich also etwas zu verstecken?

Valéry, Cahiers

Es kann passieren, dass man beim Lesen erschreckt und denkt: das ist wahr, genau SO fühle ich es auch.

Dies ist mir vor einigen Tagen passiert, als ich die Cahiers von Paul Valéry las.

Ego – Insula – Souvenirs

Bizarre tête – Je n’existe que singulier et comme à l’état naissant. Ne comprends que ce que j’invente. Ce qui a infecté mes études – et dégoûte des maîtres qui n’excitaient pas ce sens – Au contraire!

Faire inventer est le secret de l’enseignement non bête.

Voir un homme d’esprit visiblement grossier “expliquer” une délicatesse littéraire, une difficulté de raisonnement ou d’expression – est démoralisant. Je ne pouvais pas concevoir que tel rustre diplômé comprît ce que je ne comprenais pas. Et je m’habituai à ne pas savoir ni comprendre – Ce qui fit que je me séparai in petto de ces êtres et de leurs vérités – et me sentis d’une autre espèce – inférieure par bien des choses – et résigné à l’être, à ne vivre que de ses propres ressources.

Il me semblait non moins impossible que quelque prêtre pût savoir au vrai ce qu’il enseignait et comprendre ce qu’il disait. La foi est la supposition contraire -, et se réduit dans les jeunes esprits à cette confiance naturelle. – Je ne pus jamais imaginer qu’un homme en sût plus qu’un autre si ce n’est par quelque observation de ses yeux, ou en quelque mode d’action et d’opération.

Croire, donc, en toute matière, me parut un état provisoire et expédient. Un pis-aller. On ne peut s’en passer, comme on se contente de peu, soit par indifférence, soit par nécessité, soit par négligence naturelle et paresse. Mais la foi veut que l’on donne à ce minimum plus de valeur qu’à une certitude positive.

D’ailleurs je ne fus pas plus convaincu de la démonstration de l’égalité des triangles que de celle de la Trinité.

Je n’ai jamais compris cette démonstration d’Euclide (comme je l’ai expliqué à Painlevé) – et ce genre de résistance – transformé par la discipline scolaire – en répugnance – a vicié pour toujours mon éducation mathématique.

Il me semblait qu’on ne transporte pas un segment dans son esprit pour l’appliquer à un autre sans faire d’avance que l’on trouvera égalité ou non. L’esprit fournit segment, transport, conservation et différence -, et cela ne prouve rien. Si, au contraire, l’opération est matérielle – elle n’a aucune généralité – et le théorème n’existe pas. La constatation ne déborde pas son acte. D’ailleurs un triangle dont les sommets seraient Sirius, Véga et Antarès est peu maniable – et même d’existence assez disputable – si on le confond pas avec celle d’une petite figure sur le papier.. Ici, le prêtre dirait que ce qui est lié et délié sur la terre est lié et délié dans le ciel!

Mais peut-être faut-il qu’il y ait de mauvais élèves, des esprits bouchés – pour que quelques-uns s’opposent aux maîtres de basse qualité? Car le bon et docile élève d’un maître bête reflète de la bêtise et reçoit la récompense de se l’être assimilée. Ce qui se voit tous les jours.
(Paul Valéry, Les Cahiers, Bd. I, Gallimard (Bibliothèque de la Pléiade), Paris 1973, S. 161 f.)

Orchidee und Etymologie

“Orchidee” stammt etymologisch aus dem Griechischen Wort ὄρχις (der Hoden).

Wüssten diejenigen, die die Orchidee als Symbol benutzen, woher das Wort stammt, so hätten sie sich vielleicht ein anderes Symbol ausgesucht.