Ende April meldete die NZZ, die Masterarbeit von Doris Fiala werde auf Plagiatsvorwürfe hin abgeklärt. Dort heisst es unter anderem:
Laut dem Report hat Fiala Hunderte Sätze aus andern Quellen entnommen. So heisst es in Fialas Arbeit etwa: «Die Schengener Abkommen stehen für eine inzwischen weitverzweigte Rechtsentwicklung, deren Kernbereich die Abschaffung der stationären Grenzkontrollen an den Binnengrenzen der Schengenstaaten darstellt.» Mit exakt demselben Satz beginnt der Wikipedia-Eintrag über das Schengener Abkommen. Sowohl Quellenangabe als auch Anführungs- und Schlusszeichen, wie üblicherweise beim wissenschaftlichen Zitieren verlangt, fehlen. Am Ende der Arbeit taucht die Adresse des Wikipedia-Beitrags zwar auf, unter dem Titel «Nützliche Links». Dass es sich dabei um Quellen handelt, ist nicht ersichtlich.
Und weiter:
Fialas Arbeit umfasst 213 Seiten. Gemäss der Software sind 270 Sätze wörtlich aus andern Quellen übernommen – diese Angabe ist allerdings mit Vorsicht zu geniessen. Mehrere davon sind in den Fussnoten zitiert, doch unkorrekte Zitierweisen finden sich zu Dutzenden. Rund 50 Sätze stammen aus insgesamt mindestens 8 Wikipedia-Beiträgen. Fiala gibt die Online-Enzyklopädie nur auf drei Seiten als Quelle an; einmal mit der korrekten Adresse, zweimal schlicht als «Wikipedia».
Aha. Das alles aber sei “fahrlässig” berichtete die NZZ letzten Freitag. Kein Wunder, denkt man sich, dass Fahrlässigkeit in der Bevölkerung in Verruf gerät. Und dass Wissenschaft nicht einfach Geschwätz ist (auch nicht kopiertes Geschwätz), scheint auch nicht klar zu sein.
Fiala selbst erläutert auf 20Minuten die Sache so:
Warum sind Ihnen die Zitierfehler überhaupt unterlaufen?Zu Beginn des Studiums bekam ich ein 12-seitiges englisches Handbuch. Doch ich war so vom Studium, dem Zeitmanagement, von Armee- und Sicherheitsfragen absorbiert, dass ich es nur kurz durchblätterte und ihm keine grosse Beachtung schenkte. Ich hatte in diesem Moment andere Sorgen als Fussnoten. Hinzu kommt: Ich habe keinen akademischen Hintergrund. Die Masterarbeit war meine erste wissenschaftliche Arbeit überhaupt. Deshalb hatte ich keine Erfahrungen mit dem Zitieren. Zum Studiengang wurde ich von der ETH auf Grund meiner Vorbildung, meiner Berufserfahrung und meiner Arbeit im National- und Europarat zugelassen. Der ETH war einfach zu wenig bewusst, dass besonders eine exponierte Person wie ich, die zudem noch nie wissenschaftlich gearbeitet hat, besser begleitet und kontrolliert werden müsste.
Hammer! Dass man Sätze, die man wortwörtlich übernimmt, irgendwie kennzeichnen und nicht einfach als Eigenes ausgeben sollte, muss man also erst lernen. Sehr lustig auch: “Ich hatte keine Erfahrung mit dem Zitieren”. Das stimmt wohl nicht. Mit dem Zitieren schon, nur mit dem Offenlegen und der Ehrlichkeit nicht so. Das muss man also erst auf der Akademie lernen, Berufserfahrung im National- und Europarat genügen dazu nicht. Gut zu wissen, wenn auch erschreckend. War denn Guttenberg nicht hinreichend zur Information auch der Nicht-Akademiker? (Man, where have you been, when the shit hit the fan?).
Und selbst 50 Sätze aus Wikipedia zu kopieren scheint der Reflexion nicht wert. Klar, für eine Politikerin. Das Beste aber, wie immer, zum Schluss: Die ETH ist schuld, sie hätte Fiala besser begleiten und kontrollieren müssen. Fiala gehört zur FDP! Wer braucht eine liberale Partei, wenn selbst die nach Kontrolle und “Begleitung” ruft. Kein Wunder, dass Cédric Wermuth (SP) Frau Fiala via Twitter zustimmend unter die Arme greift: «Sie hat ein paar Zitate nicht markiert, ja und?». Man hätte weniger gegen die Geringschätzung der Wissenschaft durch die Politik, wenn die Politiker sich nicht immer mit wissenschaftlichen Titeln schmücken wollten.
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