Aber kann eine Philosophie, deren Ausgangspunkt das Bewusstsein ist, viel mit dem Dasein gemein haben? Das Bewusstsein als solches ist doch dem Leben gleichgültig. Das Leben kennt nur die Kategorien von Leid und Vergnügen. Nur in den Möglichkeiten Schmerz und Lust existiert die Welt für uns. Solange es kein Bewusstsein von Schmerz oder Lust ist, ist das Bewusstsein für uns ohne Belang. Ich habe mir die Existenz dieses Baumes bewusst gemacht – ja und? Er wärmt mich nicht, er macht mich nicht frieren. Bewusstgewordenes Sein ist kein Sein – solange meine Sinne es nicht empfinden. Wichtig ist bist das bewusstgemachte, sondern das empfundene Sein. Das Bewusstsein muss also ein Bewusstsein der Empfindungsfähigkeit sein, nicht unmittelbares Bewusstsein des Seins.
Das Leid aber (und also auch das Vergnügen) steht seinem Wesen nach im Widerspruch zum Begriff der Freiheit. Zu sagen, dass wir uns eine gewisse, grundsätzliche Möglichkeit von Freiheit angesichts des Leidens bewahren (die an der Sinnhaftigkeit unseres Wertesystems hinge; und sei es auch nur die Freiheit “in der Situation”), hiesse diesem Wort überhaupt jeden Sinn zu rauben. Das Leiden ist etwas, das ich nicht will, das ich erleiden muss, entscheidend ist hier der Zwang, also der Mangel an Freiheit. Es gibt wohl kaum einen grösseren Gegensatz als den zwischen Leiden und Freiheit.
Witold Gombrowicz, Berliner Notizen (Tagebuch 1964), Berlin 2013, 79
Ich finde diese Worte von Herrn Gombrowicz wunderbar!
Und oft, oft habe ich mich gefragt ob dieser Widerspruch die Kreativität geboren hat.
Wenn grosse Musik uns weinen macht, ein Bild die Zeit stehen bleiben lässt und ein Text die Gedanken, die man sich selbst so oft gemacht hat, hinaus zu brüllen scheint – ist das nicht der Aufschrei unserer gefangenen Herzen?
Wir wollen frei sein, nichts als frei und verlieren uns auf unserer Suche nach dem goldenen Schlüssel immer und immer wieder in der Schönheit von Lust und Leid, werden gezwungen den Widerspruch zu verehren.