ES denkt …

by | Aug 9, 2014 | Die Bemerkung | 0 comments

Cogito ergo sum, hatte Descartes (1596-1650) formuliert. Das ist etwas ungenau, weil es sich auf die Frage des Denkens konzentriert und diejenige der Identität ausblendet. Schaut man genau hin, so müsste man eigentlich sagen: Es denkt etwas, also ist etwas. Die Identität desjenigen, das denkt, ist nämlich gar nicht klar.

Denken wird zwar häufig als eine Art Instrument konzipiert, zur Problemlösung oder Analyse oder anderen Zwecken, doch scheint mir das grundfalsch. Nichts könnte den Charakter des Denkens stärker verkennen als eine Konzeption, die das Denken auf Ziele und Zwecke hin orientiert. Denken nämlich ist in seiner Struktur dem Sex eng verwandt. Es gibt kein Ziel, keinen Zweck, keinen richtigen Weg, keine Anleitung. Beide verlangen von Dir Hingabe, Abenteuerlust und den Mut, Dich selbst nicht nur zu öffnen, sondern auch zu zeigen. Beide sind Wagnisse, denn Du weisst nicht, wo Du hinkommst. Und Du kannst nicht zurück. Beängstigend. Hinreissend.

Wer das Denken zulässt, hat auch überhaupt keine Kontrolle darüber. Nicht wann, wo, wie, wie lange oder wohin. Du kannst nur die Türe aufmachen oder schliessen. Wenn man sich in der Welt umschaut,  könnte man auf die Idee verfallen, dass wir diese Türe ganz vorsichtig auch nur einen kleinen Spalt weit öffnen können, um so das Risiko, unser Ausgesetzt-Sein zu beschränken. Aber das ist natürlich Humbug. Was da nach Denken aussieht, ist blosses Getue, reines Theater. Es hat mit Denken so wenig zu tun, wie Eisenbahnfahren mit Schwimmen. Wer in der Bahn fährt, bewegt sich entlang bestimmter, genau definierter Linien. Er hat eine Richtung und nur an gewissen Punkten überhaupt die Möglichkeit, sie zu ändern. Wer schwimmt, bestimmt (zumindest konkludent) jede einzelne Sekunde diese Richtung  neu, ist gänzlich ohne Halt und Vorgaben, und zudem jederzeit in Gefahr zu ertrinken.

Denken ist ein eigentlich vegetativer Vorgang. So wie unser Herz schlägt oder unser Magen verdaut, so denkt es ständig in uns. Meist bemerken wir es nicht einmal, nur manchmal nehmen wir es wahr. Unter Kontrolle aber haben wir es nicht. Denken ist wie Schwimmen im offenen Meer. Denken ist ein Orkan, ein Tsunami. Kein Wunder, versuchen die meisten Menschen, das zu vermeiden (oder ihm zu entkommen, wenn sie unglücklicherweise damit in Berührung kommen). Sie sind darin beeindruckend erfolgreich.

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