Kennst Du die Enigma-Variationen von Edward Elgar (1857-1934)? Natürlich! wirst Du sagen. Ich bin gerade zufällig (gibt es das?) wieder einmal darüber gestolpert. Darin findet sich eine Variation, die 9., Nimrod genannt, weil sie Elgars Freund August Jaeger gewidmet ist und Nimrod auch als grosser Jäger in die Legende einging. Kaum ein anderes Stück Musik gibt mir so sehr das Gefühl, das Eichendorff in der letzten Strophe seiner Mondnacht so umschreibt:
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus
Die Einspielungen sind Legion, aber hier findest Du eine besonders schöne mit Colin Davis und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
Grosse Schönheit schmerzt. Immer. Und immer steht der Tod in ihrem Schatten. Scheint ganz, als wären die beiden irgendwie verwandt.
Wunderschön!
Mir stellt sich die Frage ob die Schönheit tatsächlich mit dem Tod verwandt ist oder nicht viel mehr mit der Liebe? Schmerzen die beiden nicht irgendwie auf eine ähnliche Art und Weise? Aber vielleicht ist Schönheit viel zu vergänglich, nur ein Moment, und daher dem Tod ähnlicher als der Liebe?
Einverstanden. Die Frage wäre nur, inwiefern sich Liebe und Tod überhaupt klar auseinanderhalten lassen. Liebe ist, so scheint mir, eng verknüpft mit dem Tod. Sie allein vermag ihn zu besiegen, doch ist sie selbst damit innerlich verwandt. Nicht nur töten wir alle, was wir lieben (Wilde, Ballad of Reading Goal), wir lieben auch niemanden mehr, wenn wir lieben (Proust; dieser Gedanke wird im Internet zwar teilweise Mauriac zugeschrieben, aber darüber weiss ich nichts, wohl aber, dass ich ihn bei Proust in der Recherche gefunden habe). Die Liebe fokussiert auf das Eine und lässt es damit unvergleichlich schön werden, doch tut der Tod das wohl auch, denn in der Zerstörung oder Aufhebung des Einen wird seine Unvergleichlichkeit besonders spürbar.
Vergänglichkeit bzw. die Unmöglichkeit sie irgendwie zu fixieren oder zu halten (sie auf Dauer zu stellen, würden die Theoretiker heute sagen), eint jedenfalls Liebe, Tod und Schönheit, nicht?
Ja, sie sind wohl zu eng miteinander verwoben, als dass man Liebe und Tod einfach losgelöst voneinander betrachten könnte. So wie sie zueinander stehen, dieses einmalige Muster, darf man das “Schönheit” nennen?
Und die Vergänglichkeit, die alles eint, hat für mich etwas Tröstendes, gibt sie auch dem Schmerz also keine Dauer.
Ganz einverstanden. Und ja, ich würde es Schönheit nennen, und mehr noch: Mir scheint dies geradezu der Kern der Schönheit. Und ja, in der Aktualisierung der Vergänglichkeit liegt wohl das Tröstliche und damit auch der Grund, warum wir uns der Schönheit nicht entziehen können. Sie wirkt wie Morphin auf uns.