Dunkles Begehren

Unser Blog sei ein wenig dunkel in letzter Zeit, habe ich jüngst gehört. Das mag sein. Indes, die Farbgebung ist nicht neu und es sind dunkle Zeiten. Der Nebel steht so dicht, dass er den Himmel verdunkelt, obwohl die Nacht noch nicht gefallen ist. Sichtbare Dunkelheit. Armageddon wird nicht wirklich anders aussehen. Es fehlen nur die apokalyptischen Reiter. Allüberall herrschen Verwalter. Das Zeitalter der Gartenzwerge.

Für unser Begehren aber, das als Einziges der Nacht widerstehen könnte, dessen Glut uns vorübergehend ein wenig Wärme und Licht zu spenden vermöchte, entschuldigen wir uns, statt stolz darauf zu sein.

wieder keine antwort

wirst du mir den weg der feiglinge verzeihen können, frage ich mich erneut.
und weiss wieder keine antwort.

Puppentheater

Ich mag nicht mehr funktionieren. Weiss zwar nicht warum, aber ich kann das wirklich gut. Es funktioniert mich. Ich spiele mich recht überzeugend. Kaum einer merkt etwas. Manchmal nicht einmal ich selbst. Merkwürdigerweise. Ich spiele mich inzwischen so gut, dass selbst ich den Unterschied zwischen meiner Darstellung und mir manchmal nicht mehr finde. Nur eben –: ich mag nicht mehr. Und dann weiss ich es wieder: Kaum bin ich allein mit mir, senkt sich die Nacht. Und verschlingt mich.

Zufall als Beleidigung

Vielleicht am allerschwersten zu ertragen bleibt, dass der innerste Kern des Lebens Ungerechtigkeit ist. Oder genauer: Zufälligkeit.

Wie viele Menschen waren nicht freundlich zu mir, nett und hilfsbereit. Ohne Grund und ganz unverdient. Nicht Dutzende oder Tausende gibt es, Millionen, die Freundlichkeit, Hilfe, Aufmerksamkeit und Zuneigung nötiger gehabt und mehr verdient hätten, als ich. Wie könnte ich diese Schuld je abtragen?

Unser Weh findet keinen Grund. Es bleibt essentiell nicht nur Nebensächlichkeit (das haben wir bereits festgestellt), sondern Zufälligkeit. Dies zu erkennen ist, was uns verstummen lässt. Sogar gequält zu werden, wäre uns erträglicher, wenn die Quälerei keine Zufälligkeit wäre.

Unfreiwillige Komödianten

Zum Abschied, das wunderbare Buch, Zwei Herren am Strand, ist trotz äusserst langsamer Lektüre, zu Ende gegangen, noch eine ganz phantastische Passage (248 f.):

Meine Mutter starb, als ich fünf war, ich kann mich nur schemenhaft an sie erinnern. Mein Vater hat den Verlust nie überwunden. Er hat nicht mehr geheiratet. Um sich selbst zu trösten und um mir ein wenig das Gefühl einer Familie zu vermitteln, spielte er mir am Abend vor dem Einschlafen “Gespräche der Eltern über ihren Sohn” vor. So sachlich drückte er sich aus. Er umarmte ein Kopfkissen, das war meine Mutter und sprach einmal als er einmal als sie. Ohne die Stimme zu verstellen. Es war nichts Parodistisches dabei. Die Gespräche waren manchmal lustig, meistens ernst, wenn sie lustig waren, waren sie nicht lustig gemeint. Er erzählte meiner Mutter, was am Tag geschehen war, sie gab ihre Kommentare dazu ab, er fragte sie um Rat, sie gab Rat. Es kam vor, dass sie nicht einer Meinung waren, es kam vor, dass sie sich stritten, dann war er beleidigt und redete nicht mehr und überliess ihr das Reden, bis sie sich wieder versöhnten. Er spielte das so glaubwürdig, dass mir während der Szene nicht ein Mal der Gedanke kam, das alles sei gar nicht echt. Wenn er den Beleidigten spielte, war er beleidigt, und ich bat ihn, wieder mit Mama gut zu sein, ich hätte sonst nicht einschlafen können. Mein Vater war ein grosser Komödiant, ein grosser unfreiwilliger Komödiant.

Ist das nicht herrlich? Beschreibt es nicht vollständig unsere Gespräche? Wir bringen es nicht über uns zu sagen, was uns quält, und spielen deshalb ständig Theater. Unfreiwillige Komödianten allesamt.