Das eigentlich Teuflische nun äussert sich nicht etwa in der primitiven Vorstellung, dass für die Dauer seiner – gewiss vorübergehenden – Herrschaft die Bösen stärker sind als die Guten. Vielmehr wäre, wie Sie wissen, solch ein Zustand ein natürlicher, will sagen: ein gewöhnlicher. Auch das Böse ist nämlich ein Teil des Guten: “Nichts findet man in der Welt” – wie der heilige Thomas von Aquino sagt – “was vollständig übel ist.” Aber die Zeiten der Hölle erkennt man nicht an der Herrschaft des schlechtweg Bösen, sondern an unserer Ratlosigkeit, zu sehen, was eigentlich Gut und was eigentlich Böse ist. Es ist nicht Nacht, und es ist auch nicht Tag in der Welt. Es ist gleichsam Sonnenfinsternis. […] weder Licht noch Finsternis, sondern eher eine Art Unlicht […]
Joseph Roth: Glauben und Fortschritt, Vortrag aus dem Jahre 1936
So ist es, darkness visible (Milton). Nicht seine Herrschaft, der Verlust der Unterscheidungen ist der eigentliche Triumph des Bösen.
Der Mensch sehnt sich ständig nach Sicherheit. Für ihn ist es beruhigend, zu wissen, wann etwas gut ist oder böse. Er möchte unterscheiden können, um sein Leben nach dem richten zu können, was er für moralisch gut hält. Denn dann ist er ja ein „guter Mensch“.
Doch in Wahrheit siegt nur das Böse. Und das Gute kommt ab und zu wie ein kleiner Lichtblick vorbei, und schaut dabei zu.
Aber das Gute ist schwach, denn es existiert nur durch das Böse. Es ist wie eine kleine nackte Seele, die alleine nicht überleben kann.
Ich weiss nicht, ob das Gute nur durch das Böse besteht, dann wäre es ja Teil davon. Das will mir genauso wenig einleuchten, wie die Behauptung Roths, das Böse sei Teil des Guten. Nur in ganz schlimmen Zeiten (wie derjenigen Roths oder der unsrigen) heiraten sie oder verschmelzen gar miteinander. Dass sie sich aber essentiell und kardinal unterscheiden, wird mir überdeutlich darin, dass das Böse ohne Hilfe bestehen und fortbestehen kann, sich perpetuieren und verbreiten, dieweil das Gute nicht nur ohne Hilfe nicht entsteht, sondern ohne diese Hilfe nicht einmal weiterbestehen kann, sondern elendiglich zugrunde gehen muss. Es gibt eine sehr schöne Passage von Huxley hierzu, aber die muss ich raussuchen.