Gewalt der Poesie

by | Feb 14, 2015 | Die Bemerkung | 0 comments

Egal wie viel wir gelesen haben mögen, egal wie sehr wir einen Menschen zu kennen vermeinen, stets entdecken wir Neues, stets überwältigt uns die Liebe, das Meer, unsere Existenz überhaupt. Die Frage ist einzig, ob wir uns darauf einlassen, ob wir es zulassen. Je näher wir uns selbst kommen, je mehr wir unsere Rüstungen niederlegen, unsere kindlichen Tröstungen und unbeholfenen Ausreden aufgeben, umso bedeutungsloser werden uns überkommene Kategorien und Strukturen. Da sie uns nichts mehr erreichen, nichts mehr anhaben können. Um so näher – so würden einige wohl sagen – kommen wir Gott. Dies ist der geheime Grund der anarchischen Potenz von Poesie und Liebe. Nie sind wir der Welt der Gartenzwerge gefährlicher. So gewalttätig ist der Moments indes, dass uns meist der Mut fehlt:

Einsicht

Noch ist alles möglich.
Wir haben uns flüchtig gestreift.
Der Rest: wahrscheinlich tödlich.
Die Kunst: dass man es begreift.

Wir sollten es dabei belassen.
Ein Hauch ist fast wie ein Kuss.
Sich lieben heisst auch sich verpassen.
Auf andere Art. Und Schluss.

Hans-Ulrich Treichel,
Seit Tagen kein Wunder, Gedichte, Frankfurt: Suhrkamp  1990

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