Die Entlassung zog sich hin. Die Vernehmungen häuften sich. Ich hatte geglaubt, das gewöhnliche Leben eines modernen Menschen hinter mir zu haben.
Die Polizei bewies mir spielend das Gegenteil. Im Laufe der Untersuchung verlor ich meinen Namen, meine Nationalität, meinen Charakter, meine Ehre, mein Selbstgefühl, meinen Mut und meine Identität.
… Verdienste, auf die ich stolz war, sahen wie Verfehlungen aus. Worauf ich mich stützte, das mache mich verdächtig. So verdächtig wird jedes gewöhnliche Leben, wenn man es prüft.
Hermann Kesten, Oberst Kock, 1946
Tatsächlich. Darin liegt das eigentliche Problem. Jedes Leben wird verdächtig, wenn es genau geprüft wird. In jedem Leben finden sich Fehler und dunkle Geheimnisse. Genau deshalb sollten Zufallsfunde nicht verwertbar sein in einem Strafprozess. Würde man nämlich unser aller Leben einer genauen Prüfung unterziehen, so sässen wir wohl alle im Gefängnis.
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