Sobibór, Generalgouvernement

by | Dec 21, 2015 | Das Ärgernis, Die Bemerkung, Unsere Helden | 0 comments

Jakob van Hoddis (geb. als Hans Davidsohn) ist ein expressionistischer Dichter, berühmt v.a. durch das vielleicht erste expressionistische Gedicht überhaupt, das 1911 erschienene Weltende. Hier sein Text:

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei,
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

Dieser van Hoddis wurde am 16. Mai 1887 geboren. 1922 wurde er geisteskrank und war von da an erst in privater Pflege, dann ab 1926 entmündigt und  in der Universitätsklinik Tübingen, ab 1927 im Christophsbad in Göppingen, und nach der Emigration seiner Mutter und Schwestern in den „Israelitischen Heil- und Pflegeanstalten“ Bendorf-Sayn bei Koblenz. Keine gute Zeit und ein noch schlechterer Ort für Geisteskranke, speziell für Juden. Hier wurden ab 1940 alle jüdischen Geisteskranken konzentriert. Von hier wurde er am 30. April 1942 deportiert. In den Distrikt Lublin nach Polen – höchstwahrscheinlich das Vernichtungslager Sobibór, wo er umgehend ermordet wurde.

Diese Tatsache umschreibt Wikipedia bei seinen Lebensdaten bündig als: “† 1942 in Sobibór, Generalgouvernement”:

VanHoddis

Es mag nun vielleicht überempfindlich scheinen, aber den Ort Sobibór mit dem Vernichtungslager in dessen Nähe gleichzusetzen, obwohl selbst Wikipedia die beiden zu unterscheiden vermag, erscheint doch etwas gar ungenau und verdeckt das wohl Wichtigste. Dass zudem heute dieser Ort im sog. “Generalgouvernement” lokalisiert wird, also dem von den Nazis besetzten Teil Polens, ganz so, als hätte es das Generalgouvernement tatsächlich gegeben (ausser für die Nazis und die ihnen bei der Teilung Polens verbündeten stalinistischen Sowjets), ist doch gar schamlos. Mit grösserem Recht liesse sich Österreich wohl als “Ostmark” bezeichnen, liessen sich hier doch erhebliche Teile der Bevölkerung gerne anschliessen.

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