Sobibór, Generalgouvernement

Jakob van Hoddis (geb. als Hans Davidsohn) ist ein expressionistischer Dichter, berühmt v.a. durch das vielleicht erste expressionistische Gedicht überhaupt, das 1911 erschienene Weltende. Hier sein Text:

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei,
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

Dieser van Hoddis wurde am 16. Mai 1887 geboren. 1922 wurde er geisteskrank und war von da an erst in privater Pflege, dann ab 1926 entmündigt und  in der Universitätsklinik Tübingen, ab 1927 im Christophsbad in Göppingen, und nach der Emigration seiner Mutter und Schwestern in den „Israelitischen Heil- und Pflegeanstalten“ Bendorf-Sayn bei Koblenz. Keine gute Zeit und ein noch schlechterer Ort für Geisteskranke, speziell für Juden. Hier wurden ab 1940 alle jüdischen Geisteskranken konzentriert. Von hier wurde er am 30. April 1942 deportiert. In den Distrikt Lublin nach Polen – höchstwahrscheinlich das Vernichtungslager Sobibór, wo er umgehend ermordet wurde.

Diese Tatsache umschreibt Wikipedia bei seinen Lebensdaten bündig als: “† 1942 in Sobibór, Generalgouvernement”:

VanHoddis

Es mag nun vielleicht überempfindlich scheinen, aber den Ort Sobibór mit dem Vernichtungslager in dessen Nähe gleichzusetzen, obwohl selbst Wikipedia die beiden zu unterscheiden vermag, erscheint doch etwas gar ungenau und verdeckt das wohl Wichtigste. Dass zudem heute dieser Ort im sog. “Generalgouvernement” lokalisiert wird, also dem von den Nazis besetzten Teil Polens, ganz so, als hätte es das Generalgouvernement tatsächlich gegeben (ausser für die Nazis und die ihnen bei der Teilung Polens verbündeten stalinistischen Sowjets), ist doch gar schamlos. Mit grösserem Recht liesse sich Österreich wohl als “Ostmark” bezeichnen, liessen sich hier doch erhebliche Teile der Bevölkerung gerne anschliessen.

Kultur als Instrument der Vereinsamung

Wir hatten schon darüber gesprochen (hier und hier), dass Kultur (oder vielleicht besser Kultuviertheit) einsam und damit traurig mache. Thema war damals nur die Literatur. Dasselbe gilt indes auch, und vielleicht sogar in gesteigertem Masse, für die Geistesgeschichte. So schön es ist, einem Gedanken in einem alten Buch zu begegnen, wie einem alten Freund, so bedrückend bleibt, dass auch Hunderte von Jahren und grosser Ruhm eines Autors nichts gegen die Dummheit auszurichten vermögen.

Alles beginnt immer wieder bei Null.

Einzig die Gewissheit, gescheiter zu sein, mehr zu können und alles besser zu machen, als ihre Vorgänger, scheint von Generation zu Generation zuzunehmen.

Deutsche Aufklärung

Deutschland beteiligt sich, wie Frankreich zuvor, mit Aufklärungsflugzeugen am Syrieneinsatz. Gut so!

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“wirklich ernst”

De Maizière ruft Eltern auf, Radikalisierung von Kindern zu melden

Bundesinnenminister Thomas de Maizière appelliert an Eltern, die Behörden zu verständigen, sollte es bei ihren Kindern Anzeichen für eine Radikalisierung geben. Niemand sollte sich schämen, wenn er auf verdächtige Veränderungen von Menschen hinweise, sagte der Minister auf der Herbsttagung des Bundeskriminalamts in Mainz. „Es ist kein Verrat am eigenen Sohn, an der eigenen Tochter, an der eigenen Familie, am eigenen Kollegen, kein Verrat am Mitschüler, sondern ein Ausdruck von Sorge und ein Zeichen von Liebe und Gemeinschaft, wenn man dafür sorgt, dass solche Radikalisierungsprozesse abgebrochen werden“, sagte de Maizière. Die Bedrohungslage in Deutschland und Europa sei “wirklich ernst”, betonte der Minister.

Merksätze und Stichwörter: 

  • verdächtige Veränderungen
  • kein Verrat am
    • eigenen Sohn
    • an der eigenen Tochter
    • an der eigenen Familie
    • am eigenen Kollegen
    • am Mitschüler
  • bei ihren Kindern Anzeichen für eine Radikalisierung
  • Zeichen von Liebe und Gemeinschaft

www.sueddeutsche.de, 18.11.2015