Verletzungen

Ist es nicht seltsam, dass gerade die Verletzlichsten (und vielleicht auch die Verletztesten) sich die grösste Mühe geben, nicht verletzlich, nicht verletzt zu erscheinen und ihre Verletzungen bestmöglich zu verbergen suchen, ganz so, als vermöchte deren Leugnung sie tatsächlich zu schützen.

Aber vielleicht tut es das ja. Indem es verhindert, dass zum bereits bestehenden Leid noch das Bewusstsein (oder noch schlimmer: die Kommunikation darüber) hinzukommen. Denn – nochmalsder Weg der Wahrheit ist ein Weg der Stille, wo zärtliches Gespräch nur ein Hinterhalt von Räubern ist und selbst gute Musik schockierend fehl am Platz; und Du, natürlich, hast mir das nie gesagt. (W. H. Auden) Dass damit die Wunden zu eitern und modern beginnen und nicht heilen können, ist kleine Münze im Verhältnis zur Angst vor weiteren Verletzungen.

Onlinemarketing für Fortgeschrittene

clowns

 

Ausgeklügelte Algorithmen erlauben es, Werbebotschaften optimal auf den redaktionellen Kontext in Onlinemedien zu beziehen und so sicherzustellen, dass sie auf ein interessiertes und geneigtes Publikum treffen.

So kann es sich durchaus anbieten, z.B. Werbung für Flüge nach Paris verstärkt im Zusammenhang mit Artikeln über Frankreich anzuzeigen.

Traurigkeit

Ich hatte Dir bereits von den “Zwei Herren am Strand” und ihren Problemen mit der Traurigkeit erzählt (ich lese das so langsam als möglich, damit es dauere). Eine ganz wunderbare Passage ist darin:

Sydney war sehr erleichtert. Die Funken im Auge seines Bruders gaben beruhigende Auskunft. Er hatte keinen Zweifel, Charlie hatte die Krise überwunden.

Am zweiten Feiertag fuhren sie nach Beverly Hills zurück. Singend. Erst dreistimmig, und nachdem sie die Serpentinen hinter sich gelassen hatten, vierstimmig. Der Chauffeur, so stellte sich heraus, war ein mehr als passabler Tenor. Er solle sich in den nächsten Tagen im Studio melden, sagte Charlie, als sie am Summit Drive ankamen; nur
ein guter Sänger könne auch stumm singen. Syd half ihm, die Koffer hinaufzutragen. Ob er es allein im Haus aushalte, fragte er, ob er sicher sei, ganz sicher. Aber ja, lachte Charlie.

In der Nacht aber meldete sich der schwarze Hund zurück. Nicht Hohn und Häme bellte er. Er bellte gar nicht. Er stellte sich vor ihn hin und starrte auf ihn nieder.

Kann man es besser beschreiben? Auch bei wiederholter Lektüre bereitet es mir grosse Mühe, beim letzten Abschnitt nicht zu weinen. Meist erfolglos übrigens. Die Mühe. Und das Weinen auch.

Der Tod ist gross

Der Tod wohne in uns, hatte ich gesagt, und dabei ganz vergessen, das schönste Gedicht hierzu auch nur zu erwähnen. Das sei hier nachgeholt: Rainer Maria Rilke, Das Buch der Bilder, 2. vermehrte Auflage 1906 (der Volltext findet sich hier), gemeint ist das “Schlußstück”:

Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.

Nimrod

Kennst Du die Enigma-Variationen von Edward Elgar (1857-1934)? Natürlich! wirst Du sagen. Ich bin gerade zufällig (gibt es das?) wieder einmal darüber gestolpert. Darin findet sich eine Variation, die 9., Nimrod genannt, weil sie Elgars Freund August Jaeger gewidmet ist und Nimrod auch als grosser Jäger in die Legende einging. Kaum ein anderes Stück Musik gibt mir so sehr das Gefühl, das Eichendorff in der letzten Strophe seiner Mondnacht so umschreibt:

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus

Die Einspielungen sind Legion, aber hier findest Du eine besonders schöne mit Colin Davis und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.


Grosse Schönheit schmerzt. Immer. Und immer steht der Tod in ihrem Schatten. Scheint ganz, als wären die beiden irgendwie verwandt.

Souffrance et compréhension

MADEMOISELLE ANDRIOT

J’ai toujours senti qu’il n’y avait aucun pont, aucun langage commun, rien de commun entre un être qui ne souffrait pas et moi: les êtres qui ne souffrent pas sont pour moi des fantômes.

Henry de Montherlant,  Celles qu’on prend dans ses bras, in: Théâtre complet, Gallimard – La Pléiade, p. 812.

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Je souffre, tu souffres, il souffre. Nous nous comprenons.