Die Gefahr erkennen, bevor sie entsteht
Mercedes scheint keine Freude am vorstehenden Spot zu haben. Wir schon.
Mercedes scheint keine Freude am vorstehenden Spot zu haben. Wir schon.
Ein Passagier eines Zugs, der frontal mit einem anderen Zug zusammengestossen ist, tut dem Blick seine Eindrücke kund.
Die Zeitung titelt:
Er sass im Unglückszug
“Ich steige nie mehr vorne ein!”
Doch zum Glück gibt es die Kommentarspalte, wo der fatale Irrtum des jungen Mannes aufgedeckt wird. Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle an Salomon Rittergold aus Lausanne, der Herrn L. möglicherweise das Leben gerettet hat mit seinem wertvollen Hinweis auf das Zufallsgesetz in seinem Onlinekommentar!
Montherlant zum Sex als einziger Verteidigung vor dem Nichts (natürlich kann man das, der gegenwärtigen Prüderie entsprechend, auch Sinnlichkeit nennen, doch der Text ist radikaler: Carnet XIX, 1930/1931, in: Essais, Bibliothèque de la Pleiade, Paris 1963, 975):
Nous lisons souvent des variations sur : “L’homme ne peut rien pour l’homme. On reste toujours seul.” C’est de la littérature, et fausse. L’homme peut tout pour l’homme. Dans mes poches d’incompréhensible désespoir, au temps des Voyageurs traqués, une demi-heure de plaisir physique, donnée par mon semblable, et le verre de mes lunettes était changé : le monde n’était plus ce monde de suicide où je m’enfonçais depuis des jours. Et qu’est-ce qu’une “solitude” remplie du souvenir et de l’attente de la créature? On est deux ; ce n’est pas une solitude. Je serais prêt à créer une divinité pour pouvoir la remercier de n’avoir jamais été abandonné de ce secours humain de la chair, qui m’a maintenu jusqu’aujourd’hui la tête hors de l’eau.
Je ressasse le mot de Gobineau : “Il y a le travail, puis l’amour, puis rien” (en intervertissant les deux premiers termes). Amour, travail : des passions, ou plutôt, au point où j’en ai besoin, je les appellerais de la drogue. Si la maladie ou des circonstances sociales me privaient à la fois de l’un et de l’autre, que deviendrais-je? Nous retombons sur le suicide.
Erwähnt sei (um es ein wenig komplexer zu machen), dass der erwähnte Joseph Arthur de Gobineau (1816-1882) gemeinhin als Rassist gilt (und auch als Antisemit, was allerdings nicht unbestritten ist), er sicher aber nicht weniger elitär war als Montherlant und damit genauso unzeitgemäss wie dieser. Erwähnt sei auch, dass sich letztlich bei Montherlant der Tod durchgesetzt hat (aber das tut er ja immer), was einmal mehr beweist: Man kann einfach nicht immer vögeln.
Anlässlich des Freitodes eines Managers in einem Kästchen zu einem Artikel über den Fall wird Thomas Reisch, Psychologe und leitender Arzt an der Universitätsklinik in Bern im Blick zitiert:
In Studien zeige sich, dass über 90 Prozent der Menschen, die einen Suizid-Versuch überlebt haben, ihre Tat bereuen.
Für etwas, was der Psychologe nicht sagt, braucht es wahrscheinlich nicht einmal eine sehr vertiefte Studie:
0 Prozent der Menschen, die einen Suizid erfolgreich durchgeführt haben, bereuen ihre Tat.
Das wäre doch einmal eine Schlagzeile wert.
Ergreifend auch der Titel des Artikels:
Keiner kannte ihn wirklich
Wie ungewöhnlich. Sonst wird ja gemeinhin jeder wirklich gekannt von irgendwem.
Gemäss selbigem Artikel reagiert das Unternehmen des Toten (es handelt sich nota bene um ein Unternehmen der Telekommunikationsbranche) übrigens einigermassen branchenuntypisch: Mit einer Schweigeminute!
Das möglicherweise beste aller Märchen der Gebrüder Grimm. Im Volltext der Ausgabe letzter Hand nachfolgend (damit’s auch gelesen wird; geht ganz kurz). Alle Versionen sind online einsehbar hier.
Herr KorbesEs war einmal ein Hühnchen und ein Hähnchen, die wollten zusammen eine Reise machen. Da baute das Hähnchen einen schönen Wagen, der vier rothe Räder hatte, und spannte vier Mäuschen davor. Das Hühnchen setzte sich mit dem Hähnchen auf und sie fuhren mit einander fort. Nicht lange, so begegnete ihnen eine Katze, die sprach „wo wollt ihr hin?“ Hähnchen antwortete
„als hinaus
nach des Herrn Korbes seinem Haus.“„Nehmt mich mit“ sprach die Katze. Hähnchen antwortete „recht gerne, setz dich hinten auf, daß du vornen nicht herabfällst.
Nehmt euch wohl in acht
daß ihr meine rothen Räderchen nicht schmutzig macht.
Ihr Räderchen, schweift,
ihr Mäuschen, pfeift,
als hinaus
nach des Herrn Korbes seinem Haus.“Danach kam ein Mühlstein, dann ein Ei, dann eine Ente, dann eine Stecknadel, und zuletzt eine Nähnadel, die setzten sich auch alle auf den Wagen und fuhren mit. Wie sie aber zu des Herrn Korbes Haus kamen, so war der Herr Korbes nicht da. Die Mäuschen fuhren den Wagen in die Scheune, das Hühnchen flog mit dem Hähnchen auf eine Stange, die Katze setzte sich ins Kamin, die Ente in die Bornstange, das Ei wickelte sich ins Handtuch, die Stecknadel steckte sich ins Stuhlkissen, die Nähnadel sprang aufs Bett mitten ins Kopfkissen, und der Mühlstein legte sich über die Thüre. Da kam der Herr Korbes nach Haus, gieng ans Kamin und wollte Feuer anmachen, da warf ihm die Katze das Gesicht voll Asche. Er lief geschwind in die Küche und wollte sich abwaschen, da sprützte ihm die Ente Wasser ins Gesicht. Er wollte sich an dem Handtuch abtrocknen, aber das Ei rollte ihm entgegen, zerbrach und klebte ihm die Augen zu. Er wollte sich ruhen, und setzte sich auf den Stuhl, da stach ihn die Stecknadel. Er gerieth in Zorn, und warf sich aufs Bett, wie er aber den Kopf aufs Kissen niederlegte, stach ihn die Nähnadel, so daß er aufschrie und ganz wüthend in die weite Welt laufen wollte. Wie er aber an die Hausthür kam, sprang der Mühlstein herunter und schlug ihn todt. Der Herr Korbes muß ein recht böser Mann gewesen sein.
Ja, das muss er wohl gewesen sein. Oder doch nicht?
Wale sollen Selbstmord begehen, so sagt man (obwohl auch das natürlich bestritten wird, und wie die allgemeinere Frage, ob überhaupt Tiere Selbstmord begehen, kontrovers diskutiert wird: Vgl. etwa die Diskussion in Wikipedia oder in Time, aber auch schon in Meyers Konversations-Lexikon von 1905 ; interessant auch dieses Video eines Schwertwals (auf Youtube als Delfin bezeichnet).
Interessant sind dabei v.a. die Argumente gegen die Annahme, Tiere könnten sterben wollen. Die unterscheiden sich nämlich nicht wirklich von denjenigen bei Menschen (nur dass sie bei uns, zumindest in säkular-aufgeklärtem Umfeld, nicht so offen vorgebracht werden).
Tatsächlich aber überfordert uns die Frage. Ob wir einem gestrandeten Wal tatsächlich etwas Gutes tun, wenn wir versuchen, ihn wieder ins Meer zu bringen, wissen wir schlicht nicht. Aber das unterscheidet sich nicht wirklich von der Situation bei einem Menschen. Merkwürdig auch, wie ungebrochen der Biologismus durchschlägt, wonach einziges und uneingeschränktes Ziel das Überleben ist, und alles andere pathologisiert wird (eine im Übrigen durch und durch unethische Annahme).
Lesenswert hierzu immer noch: Ein Meilenstein zur Frage des Bewusstseins Thomas Nagels Paper “What Is it Like to Be a Bat?”, das 1974 erschien.
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