Ansprüche

Ich habe alles, ausser ein Zuhause, eine Zukunft und Eltern, die mich lieben. Sollte ich glücklich sein? Müsste ich es?

Kulturgeschichte

Schwerer und schwerer wird mir die Beschäftigung mit der Kulturgeschichte. Zwar glaube ich, heute mehr zu erkennen und Zusammenhänge besser erfassen. Doch bewirkt gerade dies, dass ihre Zahl ins Unerschöpfliche wächst, und jeder Bezug, dem ich nachgehe, eröffnet drei weitere, sodass ich mit Büchern dieser Art kaum fertig werde. Das Geflecht dieser Myriaden von Verbindungen, Bezügen und Wechselwirkungen ist hinreissend verführerisch, ein komplexer Organismus mit der vernichtenden Schönheit einer attraktiven Frau. Wie bei jedem erotisch Anziehenden, auf das wir letztlich mehr zufallen als zugehen, besteht der Kern auch hier aus Gewalt, der wir uns unbedingt ausliefern und die uns vollständig verschlingt. Wie wunderbar!

Zurück bleibt nur – auch dies wie immer – unsere Melancholie.

Ein Leben reicht nicht aus, dieses Meer zu durchschwimmern.

More die of heartbreak

Warum zerfällt manchmal einfach alles, schmilzt Solides, verflüssigt und verflüchtigt sich, löst sich in Luft auf, als wäre es nie da gewesen? Könnte es einen anderen Grund geben, als den Mangel an Liebe? Sterben wir je an etwas Anderem, irgendetwas Anderem.

Ermutigen

Reicht, um nicht aufzugeben, dass wir dadurch anderen Mut machen, Ertrinkenden, Verzweifelnden wie wir selbst? Ist es nicht Veräusserung und Delegation unseres Ureigensten? Hat sich damit die Frage nicht schon selbst beantwortet?

Ist es richtig, dem Mut zu machen, der alleine nicht weiter kann? Verlängert das nicht bloss die Agonie? Da sich das Scheitern doch nicht meiden lässt. Ist es nicht Zeichen bloss unserer Schwäche, da wir das Leid (auch und gerade der Anderen) so schlecht ertragen?

Es gebe nichts zu beschützen, sagt Malkowski. Stimmt schon.
Aber die Liebe macht uns zu fürchterlichen Schwächlingen.

Und am Ende reicht wohl nicht einmal die Liebe mehr.

Regel und Entscheidung

Ein erwachsener Mensch wird sich immer vorbehalten, eine Situation selbst zu beurteilen. Er wird gerade nicht – wie dies wohl ein Kind tun würde, das von der Verantwortung überwältigt und überrfordert wird – auf irgendeine Regel – wie immer sie geartet sein möge – rekurrieren, weil er weiss, dass die Frage, ob eine Regel auf einen konkreten Fall anzuwenden sei, sich gerade nicht aus der Regel ableiten lässt, dass sie sich eigentlich aus gar nichts ableiten lässt, ausser der eigenen Entscheidung. Keine Regel enthält eine Meta-Regel, die ihre eigene Anwendbarkeit definieren würde.

Das aber heisst nichts anderes, als dass wir die Verantwortung für unsere Entscheidungen nicht los werden. Und weil wir für unsere Entscheidungen verantwortlich sind, hilft uns der Rekurs auf eine Regel nicht weiter. Obwohl wir uns nichts sehnlicher wünschten. als gerade dies.

Weil wir der Verantwortung, die wir fliehen, so gut es eben geht, nicht entkommen können, hilft uns die Regel nicht weiter, es sei denn als Legitimation gegenüber den Gartenzwergen, die vom Drama der Entscheidung nichts ahnen (oder nichts ahnen wollen).

Aus- und Einwandern

Es gibt Menschen, so hört man, die wollen auswandern, weil der frisch gewählte Präsident ihres Landes nicht nach ihrem Geschmack ist. Und dann gibt es Menschen, die ihr Land verlassen wollen, weil sie verfolgt und getötet werden, oder weil sie dort schlicht verhungern. Wie stehen die einen wohl zu den anderen, so fragt man sich.