Wir hatten eben über die Gleichgültigkeit des Meeres und das Nebenher des Leides gesprochen und dabei behauptet, dass die Liebe in einem notwendigen Bezug zum Leid stehe, dass die beiden Zwillingsschwestern seien. Ich will das kurz ausführen.
Vorweg nochmals: Nein, das ist nicht darin begründet, dass Liebe zwingend unglücklich sein muss, sie immer Leid bereiten müsste, auch wenn sie es häufig tut. Es geht viel tiefer. Wie nämlich könntest Du wissen, dass es Liebe ist, nicht nur Zuneigung, Wohlwollen, Sympathie oder gar blosser Zeitvertreib und Vergnügen? Woran vermöchtest Du das zu erkennen? Natürlich an der Totalität, ihrem allumfassenden, alles durchdringenden Charakter, nicht? Einverstanden.
Was aber bedeutet das? Fühlst Du Dich nicht unvollständig ohne die Geliebte. Fehlt sie Dir nicht? Jede Sekunde? Obwohl sie in Dir ist, in jeder Faser, jedem Gedanken? Musst Du Dich nicht zusammenreissen, um sie nicht zu erdrücken? Sorgst Du Dich nicht um sie? Und weisst Du nicht, dass Deine Sorge bei Dir bleiben muss, weil jedes Wesen Fehler machen darf und muss. Weil es nichts zu beschützen gibt, nur zu helfen. Und auch dies nur, wenn Du gerufen wirst. Meist ist dieser Ruf stumm. Höchstens die Augen stöhnen, so laut sie eben können. Auch dies indes nur, solange wir noch an die Liebe glauben und hoffen (danach tragen selbst die Augen eine Rüstung). Totalität also ist selbst schmerzhaft. Natürlich.
Noch deutlicher aber wird die Verwandtschaft von Liebe und Leid dort, wo man Dich leiden macht, Dir weh tut. Wohlwollen, Sympathie, Zeitvertreib, Vergnügen verschwinden dann schnell. Nicht so die Liebe. Erträgst Du, dass Dich die Geliebte leiden macht? Natürlich. Mindert es Deine Liebe? Natürlich nicht. Im Gegenteil, Du wirst Entschuldigungen suchen (und natürlich auch finden), Du wirst eher Dir und Deiner Liebe die Schuld geben als ihr. Denn wir lieben im anderen nicht, was er ist, sondern was er sein könnte. Wir lieben seine Potentialität. Deshalb lässt die Liebe einen wachsen. Kaum etwas, was ein geliebter Mensch nicht erreichen kann, wenn wir, die ihn lieben, Kraft genug haben, nicht an ihm zu zweifeln, d.h. unserem Gefühl zu vertrauen statt unserem (stets zweifelnden und zögernden) Verstand.
Liebe ist also nicht nur unumgänglich, wenn wir dem Tod widerstehen wollen. Wir sind auch nicht angekommen, solange es nicht weh tut.
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