Weisheit und Gesetz

Denis Diderot schliesst seine Erzählung “Entretien d’un père avec ses enfants ou Du danger de se mettre au-dessus des lois“, erstmals 1773 erschienen, wie folgt:

Lorsque ce fut à mon tour de lui souhaiter la bonne nuit, en l’embrassant, je lui dis à l’oreille: «Mon père, c’est qu’à la rigueur il n’y a point de lois pour le sage…

—Parlez plus bas…

—Toutes étant sujettes à des exceptions, c’est à lui qu’il appartient de juger des cas où il faut s’y soumettre ou s’en affranchir.

—Je ne serais pas trop fâché, me répondit-il, qu’il y eût dans la ville un ou deux citoyens comme toi; mais je n’y habiterais pas, s’ils pensaient tous de même.»

Interessant, nicht? Überhaupt eine interessante Erzählung für Juristen und alle anderen, die sich über die Frage des Stellenwertes von Regeln oder Gesetzen Gedanken machen. Der obige Link führt zum Volltext des kurzen Textes.

Autonomie und Tod

Das Problem mit der Autonomie ist, dass sie im Leben schwierig zu erreichen (und noch schwieriger zu bewahren) ist, und man einen hohen Preis dafür zu zahlen hat, wie für alles Wertvolle, während sie sich im Tod fast schon selbstverständlich ergibt, man sie quasi geschenkt bekommt.

 

“Presque tous les hommes sont esclaves, par la raison que les Spartiates donnaient de la servitude des Perses, faute de savoir prononcer la syllabe non. Savoir prononcer ce mot et savoir vivre seul sont les deux seuls moyens de conserver sa liberté et son caractère.”

Mais non sa vie. Chamfort, l’auteur de cette pensée, dit non à Herault de Séchelles qui veut le faire écrire contre la liberté de la presse. Il est arrêté et se tue.

H. de Montherlant, Carnet XX (1931)

Von Aussen betrachtet ist der Tod eine erzdemokratische, egalitäre Angelegenheit (vgl. etwa Gevatter Tod bei den Gebrüdern Grimm [1857], oder Gleichmacher Tod bei Liezi oder Liä Dsi [ca. 450 v.Chr.]); von Innen aber ist er neben dem Schmerz das Individuellste, das überhaupt vorstellbar ist. Wird er nicht empfangen, sondern selbst gegeben, ist er letzte und reinste Verwirklichung von Autonomie, reinstes Nein als Verweigerung der Sklaverei.

Entsprechend verlockend und attraktiv ist er.

Der Text Chamforts (1741-1794) findet sich zusammen mit seinen anderen Maximes et Pensées hier.

Tadeusz und das Regime

“Orden sind schön”, sagte Tadeusz, “aber wir müssen sehen, was darunter ist”, – er zeigte unter den Tisch –, “und das ist schwer.” Seine Stimme war ganz leise, als hätte er Kreide gefressen. Bei Leuten wie ihm, dachte ich, nützt alles nichts, kein Druck, keine Verführung; er ist ein kleiner, weisshaariger Dickkopf. Er sieht alles ein. Dagegen kommt kein Regime an.

H. M. Enzensberger: Ach Europa!, Frankfurt 1987, 368