Allein oder nicht?
Auf meinem Weg nach Pisa, wurde ich vor diese Wahl gestellt.
Ich bin dann nach Aosta, allein bin ich ja schon.
Auf meinem Weg nach Pisa, wurde ich vor diese Wahl gestellt.
Ich bin dann nach Aosta, allein bin ich ja schon.
Später erzählte sie ihrem Bruder:
»Ich habe meinem Mann einen Brief auf den Schreibtisch gelegt. Ich habe ihn nicht angelogen. Ich habe geschrieben:»Ich fahre nach Paris, wahrscheinlich komme ich wieder.«
»Da kannst du sehen, wie dumm die Wahrheit ist«, sagte ihr Bruder.
Michael Köhlmeier: Die Figur. Die Geschichte von Gaetano Bresci, Königsmörder, München/Zürich: Piper 1986: 105
»Du hast ihn betrogen.«
»Dann muss er mir eben verzeihen.«
»Du hast ihn mit dem Mörder des Königs betrogen,« Er sagte das wie eine Zeile aus einem Gedicht. »Du hast dich in einem Augenblick dazu entschieden, aus einer Laune heraus, mit Leichtigkeit, ohne einen Gedanken. Glaub mir, nur so werden endgültige Entscheidungen getroffen. Die Begründungen dafür werden später nachgeliefert. Sie taugen nichts. Der Wille braucht keine Begründung für die Tat.«
Michael Köhlmeier: Die Figur. Die Geschichte von Gaetano Bresci, Königsmörder, München/Zürich: Piper 1986: 103
Der radikal-ethische philosophische Libertin Diderot schwelgte in seinem Bedürfnis nach Geschichten, die er nach Belieben ausschmückte. Wer gut genug erzählen kann, der hat dieses Privileg, denn er weiss, das Bedürfnis nach der Geschichte ist stärker als das nach empirischen Beweisen.
Philipp Blom: Let Me Tell You a Story, Narrative Identitäten in Zeiten der Unsicherheit, Sigmund Freud Vorlesung 2018, Wien/Berlin 2018, 52
Fädeln wir viele Kirschenpaprika auf, entsteht ein Paprikakranz.
Fädeln wir sie hingegen nicht auf, entsteht kein Kranz aus ihnen.
Dabei sind die Paprika ebenso viele, ebenso rot, eben stark. Und doch sind die kein Kranz.
Machte es nur der Faden? Der Faden macht es nicht. Dieser Faden ist, wie wir wissen, nebensächlich, drittrangig.
Was ist es dann?
Wer darüber nachdenkt und darauf achtet, dass seine Gedanken nicht durcheinanderschwirren, sondern die richtige Richtung einschlagen, kann grossen Wahrheiten auf die Spur kommen.
Istvan Örkeny, Der Sinn des Lebens, in: Gedanken im Keller, Berlin: Eulenspiegel, 2. Auf., 135.
Der Ball war durch das eingeschlagene Fenster in den Kellergang gefallen.
Eines der Kinder, das vierzehnjährige Mädchen des Hausmeisters, hinkte ihm hinterher. Die Strassenbahn hatte der Ärmsten ein Bein abgefahren, so war sie schon glücklich, wenn sie den anderen den Ball bringen konnte.
Im Keller herrschte Halbdunkel, ihr war aber dennoch so, als hätte sich etwas in einer der Ecken bewegt.
»Mietzil« Das Hausmeistertöchterchen mit dem Holzbein blieb stehen. »Wie kommst du denn hierher, Mietzilein?«
Doch dann griff sie nach dem Ball und eilte, so schnell sie nur konnte, mit ihm davon.
Die alte, garstige und stinkige Ratte — von der das Mädchen geglaubt hatte, sie sei die Katze — stutzte. So hatte noch nie jemand zu ihr gesprochen.
Man verabscheute sie nur immer, bewarf sie mit Kohlen oder floh entsetzt vor ihr.
Erst jetzt kam ihr zum Bewusstsein, wie anders alles hätte sein können, wäre sie zufällig als Katze geboren.
Ihre Gedanken gingen sogar noch weiter — denn sie war unersättlich! Wenn sie nun gar die Hausmeisterstochter mit dem Holzbein wäre? Doch das wäre zu schön. Das konnte sie sich nicht einmal mehr vorstellen.
Istvan Örkeny, Titelgeschichte aus: Gedanken im Keller, Berlin: Eulenspiegel, 2. Auflage, 118 f.
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