Intelligenz und Schwarm

Schopenhauer scheint also nicht viel von “Schwarmintelligenz” zu halten. Wahrscheinlich, weil es ihm um das Richtige oder Wahre geht, während es doch im Leben reicht, durchzukommen, und das geht meist auch mit dem ungefähr Richtigen und dem fast Wahren. Evolution ist einfach nicht so anspruchsvoll. Und Intelligenz (auch ohne Schwarm) biologisch nicht so bedeutsam, wie deren Träger glauben, sonst wäre sie wohl sehr viel weiter verbreitet.

Nothing is so brilliantly adaptive as selective stupidity.

bemerkt Amélie Oksenberg Rorty treffend (Mind in Action. Essays in the Philosophy of Mind. Boston 1988, 219).

Schafe

ja, es giebt keine noch so absurde Meinung, die die Menschen nicht leicht zu der ihrigen machten, sobald man es dahin gebracht hat sie zu überreden, dass solche allgemein angenommen sei. Das Beispiel wirkt auf ihr Denken, wie auf ihr Tun. Sie sind Schaafe, die dem Leithammel nachgehn, wohin er auch führt: es ist ihnen leichter zu sterben als zu denken.

Sagt Schopenhauer in seiner Eristik (Arthur Schopenhauer, Eristische Dialektik. Die Kunst, Recht zu behalten, Frankfurt 2005, 56). Und dann kommt gleich im Anschluss daran eine Passage, die wirklich nur einem Intellektuellen aus der Feder schlüpfen kann. Himmlisch:

Es ist sehr seltsam dass die Allgemeinheit einer Meinung so viel Gewicht bei ihnen hat, da sie doch an sich selbst sehn können, wie ganz ohne Urtheil und bloss kraft des Beispiels man Meinungen annimmt. Aber das sehn sie nicht, weil alle Selbsterkenntniss ihnen abgeht.

Ganz so, als wäre Selbsterkenntnis verbreitet oder auch nur erstrebenswert (vgl. Anatole France für die gegenteilige Ansicht.).

 

Militär, Fundamentalismus und Demokratie

Die islamisch-konservative Regierung der Türkei hat den Sturz des islamistischen Präsidenten Mursi scharf kritisiert. […]  In der Türkei hat das Militär mehrfach geputscht. Erdogan hat die Macht der Streitkräfte in den vergangenen Jahren eingeschränkt.

Soweit der Bericht von SRF. Aha, denkt man sich, das versteht sich ja. Diejenigen, die spüren, dass es mit ihnen durchaus ähnlich gehen könnte, wie eben Erdogan (selbst gerade mit dem Taksim-Platz beschäftigt), sind skeptisch. Aber andere werden das anders sehen, würde man meinen. Aber nein, weit gefehlt:

Der britische Aussenminister William Hague übte Kritik an der Entmachtung Mursis und meinte, das Vereinigte Königreich unterstütze kein militärisches Eingreifen als Weg, Konflikte in einem demokratischen System zu lösen.

Phantastisch konstruktiv. Da will eine Bevölkerung ihre Regierung nicht mehr und kann sie nicht loswerden. Was tun? Was könnte die noble europäische Politik wohl vorschlagen: Aussitzen und abwarten. Gut britisch. Und wenn man weniger geduldig ist? Bürgerkrieg à la Syrien. Aha. Und sonst? Nichts, eigentlich. Denn das Militär darf ja nicht mitmischen. Das ist gegen die Regeln. Und zwar immer und grundsätzlich. Dann doch lieber religiöse Fanatiker, solange die nur demokratisch gewählt sind. Denn erlaubt und richtig ist alles, was die Mehrheit will. Kein Wunder, dass Europa abschmiert.

Aber die USA werden das vielleicht verstehen, denkt man. Pustekuchen:

Auch US-Präsident Barack Obama zeigte sich tief besorgt über die Entmachtung Mursis durch das Militär und verlangte die Rückkehr zu einer demokratischen Regierung.

Gut amerikanisch ist man besorg und verlangt etwas. Das kostet auch nichts. Eia Weihnacht! Eia Weihnacht!

Demokratie, sagt Jorge Luis Borges irgendwo, und Borges war wirklich alles andere als ein Dummkopf, sei ein Missbrauch der Statistik.