Verständnis und Sensibilität

by | Nov 30, 2014 | Die Bemerkung | 3 comments

Stimmt schon. Mein Fehler. Selber schuld. Aber das ändert eben nichts. Die Frage nach der Schuld beruhigt nur Gartenzwerge. Das Weh wird nicht weniger, wenn wir wissen, woher es kommt und wer es verursacht hat. Unsere Kindheit ändert sich nicht, wenn wir beginnen, sie zu verstehen. Johannes Urzidil (1896-1970) hat das schön formuliert:

Nicht nur für das, was wir tun, auch für das, was uns zustösst, sind wir verantwortlich, und mehr noch als unsere Taten setzen uns unsere verfehlten Nachgiebigkeiten herab.

Die Erklärung des Schmerzes mindert ihn nicht. Das ist das eigentliche Skandalon. Dies ist die eigentliche Wurzel des Schmerzes, der mystische Grund unserer Traurigkeit, unserer Untröstlichkeit: Das Verständnis der Dinge ändert sie nicht. Bessert sie nicht. Mildert sie nicht. Dies ist, was Intellektuelle und Sensible gleichermassen schockiert und ganz und gar sprachlos macht. Weil es ihre vollständige (und ich meine wirklich: vollständige, also jede Faser erfassende und durchdringende) Nutz- und Sinnlosigkeit, ja vielleicht gar Schädlichkeit so offenbar, so überdeutlich werden lässt. Worin könnte der Sinn eines Unternehmens bestehen, das den Schmerz nicht mindert? Es bleibt nur die vage Hoffnung, dass ein nachlässiger Gott uns das Gebrabbel verzeiht.

Nur die Liebe vermöchte, das Weh zu mindern. Wenn überhaupt. Ich fürchte allerdings, ach Rothschild, auch dies sei mehr Wunsch als Wirklichkeit.

Mir gehen die Argumente aus …

3 Comments

  1. Clotile de Marelle

    Du hast Recht. Man ist für alles verantwortlich. Für unsere Ängste, unsere Begehren und unser Weh.
    Aber auch wenn wir unseren Schmerz verstehen, kommen wir gegen seine kalte Realität nicht an. Der Schmerz ist einfach nur da. Er kommt nirgends her, und er geht nirgendwo hin. Er existiert einfach. Wir können zwar versuchen, ihn zu fangen und zu heilen, aber es wird ihn kaum berühren. Er wird uns einfach von aussen ansehen, wie wir in unserer Schneekugel hin und her tanzen und fallen, und immer wieder versuchen diesem Gefängnis zu entfliehen.

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    • Filifjonka

      Das ist sehr genau. Erschreckend genau. Du solltest das gar nicht wissen. So genau nicht wissen.

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  2. Klein Mü

    Verständnis lindert den Schmerz nicht. Zu wissen, dass mir der Arm weh tut weil er gebrochen ist, vertreibt den Schmerz nicht. Zu wissen, dass ich mir den Arm gebrochen habe weil ich hin gefallen bin, mindert den Schmerz noch weniger.

    Es ist genau wie ihr sagt: Wir sind selber verantwortlich, aber diese Erkenntnis vermag nichts zu heilen. Der Schmerz existiert einfach nur. Er ist weder gut, noch böse. Er ist nicht richtig und auch nicht falsch.

    Aber diese Erkenntnis beendet meine verwirrte Fragerei noch nicht. Oder drehe ich mich im Kreis?

    Sind wir nicht eigentlich untröstlich weil wir glauben, dass wir nicht entkommen können? Lässt es uns nicht verzweifeln, wenn wir daran denken wie der Schmerz uns von aussen beim Fallen zusieht?
    Würde es etwas an unserer Untröstlichkeit ändern, wenn der Schmerz nicht unabhängig von uns, irgendwo über uns schwebte, sondern einfach in uns selbst läge?

    Ach, wohl nicht. Ob wir uns selbst in die Schneekugel gesperrt haben oder hinein gezwängt wurden, ändert wohl nichts daran, dass wir in ihr hin und her tanzen.

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