Schrecklich

Rubin: Aber so leicht machen wir es uns nicht, oder? Jetzt habe ich es schon mal gelesen. Da wollen Sie doch sicher wissen

Wegner: Ein wenig neugierig bin ich schon.

Rubin: im Manuskript blätternd Das ist alles furchtbar.

Wegner: Bitte?

Rubin: Schrecklich. Ganz und gar schrecklich. Das taugt wirklich gar nichts. Bitte, das heißt nicht, dass Sie nicht begabt sind. Nur merkt man es nicht. Nicht hier. Nicht in diesem… Nicht hier. Pause. Im letzten Drittel sind kaum noch Tippfehler. Pause. Ich hätte das nicht so drastisch formulieren sollen. Entschuldigen Sie. Es gibt schon auch Stellen, die… Nein, es ist alles furchtbar.

Wegner: Machen Sie Witze?

Rubin: Schön wär’s. Ich war auf so etwas nicht gefasst.

Daniel Kehlmann: Der Mentor, in: 4 Stücke, Hamburg 2019, 111 f.

Namen

Rubin: Wo wurde Ihr Stuck aufgeführt.

Wegner: Hannover. Kammerbühne. Es ist ziemlich aufwendig, schwer nachzuspielen. Mein zweites Stück, «Ohne Namen», an dem wir hier arbeiten werden, ist sparsamer in den Mitteln.

Rubin: Es hat keinen Namen?

Wegner: Doch, es heißt «Ohne Namen».

Rubin: Wollen Sie ihm keinen Namen geben?

Wegner: Aber das habe ich doch.

Daniel Kehlmann: Der Mentor, in: 4 Stücke, Hamburg 2019, 99

Auf welcher Seite

Und alle sind wir jetzt tot, egal auf welcher Seite wir standen. Nur ist es eben nicht egal. Es ist nie egal, auf welcher Seite einer steht.

Daniel Kehlmann, Die Reise der Verlorenen,  in:  Vier Stücke, Hamburg 2019, 200

Mikrophone

Judith: Sie haben uns doch gestern zugehört. Sie haben sicher Mikrophone in meiner Wohnung versteckt.

Thomas: So was machen wir nicht.

Judith: höhnisch Weil Sie die Bürgerrechte achten?

Thomas: Weil das nicht nötig ist. Wir verstecken keine Mikrophone mehr. Er hebt vielsagend sein Mobiltelefon. Heutzutage bringen die Leute die Mikrophone selbst ins Haus.

Daniel Kehlmann, Heilig Abend, in: Vier Stücke, Hamburg 2019, 176