by Filifjonka | Sep 8, 2014
So soll nun also die Prostitution verboten werden. Prostitution überhaupt, wohlgemerkt, nicht etwa bestimmte ihrer Formen, wie beispielsweise die Prostitution von Kindern. Das nämlich ist bereits Gesetz: War Sex mit einem Menschen jünger als 16 bisher bereits strafbar (Art. 187 StGB), so ist mit der Umsetzung des Lanzarote-Protokolls nun auch Sex strafbar geworden mit Minderjährigen, die älter sind als 16, jedenfalls dann, wenn sie einen Vorteil davon haben (der über den Sex hinausgeht). Sexuelle Hingabe ohne Gegengeschenk, also der acte pur der blossen Lust, bleibt erlaubt. Unsicher allerdings ist, ob damit ausser der Masturbation überhaupt noch eine sexuelle Handlung straffrei bleibt, denn soweit auch ein anderer beteiligt ist, besteht ja immer auch Gegenseitigkeit und Austausch. Nicht um Kinder aber geht es nachfolgend. Nicht der Zwang zum Sex soll strafbar werden. Nicht Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Schändung oder irgendeine andere Form des erzwungenen Sex. Skandal! wollen wir rufen, als uns klar wird, dass all dies längst strafbar ist. Ebenso das Zuführen eines Menschen zur Prostitution, das Kontrollieren oder Festhalten darin. Denn sie sind als Menschenhandel natürlich strafbar. Nein, nein, strafbar werden soll die “schlichte” Prostitution, oder genauer gesagt: die Inanspruchnahme einer sexuellen Dienstleistung, wenn dafür gezahlt (oder am Lanzarote-Protokoll orientiert: eine Gegenleistung oder irgendein Vorteil gewährt wird).
Man muss sich vielleicht einmal vor Augen führen, wie die Forderung nach einem Prostitutionsverbot begründet wird: Sex im Austausch für eine Gegenleistung zu erwarten oder zu verlangen (Nachfragerseite), verletze die Menschenwürde, weil umgekehrt Sex im Austausch für eine Gegenleistung anzubieten oder hinzugeben (Anbieterseite) unmöglich die Entscheidung eines selbständigen, frei entscheidenden Menschen sein könne. Der Appell gegen Prostitution versteht Prostitution als Herrschaft und Zwang des Nachfragers über den Anbieter und nennt Prostitution, bei der kein Zwang ausgeübt wird, “sogenannt freiwillige” Prostitution. Das ist durch und durch paternalistisch und freiheitsfeindlich. Isaiah Berlin (1909-1997) und seiner Unterscheidung von positiver und negativer Freiheit folgend, ist deutlich, dass die Prostitutionsregulatoren Freiheit nicht negativ (frei von etwas), sondern positiv (frei zu etwas) konzipieren, die Freiheit also auf ein Ziel hin orientieren, dieses Ziel aber der Entscheidkompetenz des scheinbar Freien gerade entziehen: Du bist frei, zu tun, was Du willst …, sofern Du das Richtige willst; strebst Du indes nach dem Falschen, so kann Dein Begehren nicht Dein wirklicher Wille sein, glaubst Du nur, es zu wollen, dieweil Du eigentlich krank bist oder noch nicht reif, oder einer Täuschung oder eben einem Zwang unterliegst, den Du eben gar nicht wahrnimmst. Und natürlich ist es nicht an Dir zu entscheiden, was richtig und was falsch ist.
Das kennen wir aus dem einst real-existierenden Sozialismus, aber auch aus anderen freiheitsfeindlichen Gedankensystemen. Jedem, der sich dafür interessiert, oder grundsätzlicher: jedem, der sich für die Bedingungen menschlicher Knechtschaft interessiert, sei deshalb Berlins “Freedom and its Betrayal: Six Enemies of Human Liberty” ans Herz gelegt, das die Propheten der Unfreiheit (Helvétius [1715-1771], Rousseau [1712-1778], Fichte [1762-1814], Hegel [1770-1831], Saint-Simon [1760-1825] und de Maistre [1753-1821]) luzide analysiert, was umso dringlicher ist, als es offensichtlich fürchterliche Zeiten sind, in denen wir leben, auch wenn das kaum einen zu interessieren scheint, weil es so vielen materiell so gut geht, weshalb das erhebliche Unbehagen, das einfach nicht verschwinden will, als grundlos und ungerechtfertigt empfunden wird, zumindest aber als unerklärlich und merkwürdig, während sich die insistenten Zweifel weitgehend betäuben lassen (oder jedenfalls betäubt werden) durch den nicht abbrechenden Strom von Unterhaltung durch Bilder, Filme und gänzlich belanglose Informationen, die wir nicht nachgefragt haben und eigentlich auch nicht benötigen, deren Erneuerungs- und Veränderungstempo uns aber stetig und zunehmend in Verzug setzt (eine Art Gläubigerverzug des Nachrichtenempfängers und Medienkonsumenten) und überfordert, was uns, wenn nicht gerade minderwertig, so doch ungenügend und mangelhaft fühlen macht, weil wir weder dieses Tempo aushalten noch diese Quantitäten verarbeiten können, sodass wir nur zu gerne Rat und Leitung anderer annehmen, von denen wir glauben, sie seien weniger überfordert und hilflos als wir, was umgekehrt die wiederum gerne tun, wenn auch weniger aufgrund von Kompetenz und Verantwortung als schlicht aus Geltungssucht und Rücksichtslosigkeit, so dass die freche Anmassung, anderen vorschreiben zu wollen, was sie zu tun haben, gegenwärtig nicht nur Hochkonjunktur hat, sondern sich widerlicherweise auch noch verleugnet und (zumindest den Orientierungslosen gegenüber weitgehend erfolgreich) als “Fürsorge” tarnt und verkleidet, deren Zweck natürlich nur das Wohl der Geleiteten und Beschützten ist, die sich von den Herrschenden nur dadurch unterscheiden, dass sie anders als diese bequemer sind und keine Verantwortung übernehmen, sondern lieber Regeln befolgen wollen, ihnen sonst aber ganz und gar gleich sind, was das vornehme Opfer, das die Herrschenden grosszügig erbringen, nur umso eindrücklicher erscheinen lässt, und die Dankbarkeit, die ihnen geschuldet ist, nur umso grösser.
Aus den Höhen der Unfreiheitsphilosophie zurückkehrend in die Niederungen der Sexualitätsregulatoren fällt auf, dass beim Austausch von Sex und Gegenleistungen offenbar grundsätzlich (aber diskussions- und begründungslos) der Nachfrager von sexuellen Dienstleistungen als der Mächtige und Herrschende verstanden wird, während der Dienstleistungsanbieter oder -erbringer als der Schwache, Ohnmächtige und Beherrschte verstanden wird. Das ist zumindest insofern merkwürdig, als die Herrschaft über die Ressource Sex primär beim Anbieter liegt. Dass er, obwohl an sich Herr über diese Ressource, Knecht sein soll und dem Nachfrager unterworfen, bedürfte doch eingehender Begründung. Die Annahme nämlich, dass jeder, der sich verhält, wie wir es nicht tun würden, dies nur aus Zwang tun kann, ist möglicherweise allzu simpel und falsch, wie wir schon seit Etienne de la Boétie (1530-1563) und seinem “Discours de la servitude volontaire” wissen, uns aber 400 Jahre später Hans Magnus Enzensbergers (*1929) Verteidigung der Wölfe gegen die Lämmer (1962) in Erinnerung ruft, von dem hier nur der Schluss wiedergegeben sei:
gelobt sei´n die räuber; ihr,
einladend zur vergewaltigung,
werft euch aufs faule bett
des gehorsams, winselnd noch
lügt ihr, zerrissen
wollt ihr werden, ihr
ändert die welt nicht mehr.
Dass ein Prostitutionsverbot die Freiheit nicht nur der Nachfrager (der Konsumenten) einzuschränken sucht, sondern auch diejenige der Anbieter, ist mithin ebenso offensichtlich, wie unzweifelhaft ist, dass die Apologeten des Verbotes dies nicht zugeben werden. Lassen wir also den philosophischen Diskurs um die Freiheit beiseite und schauen uns den “Appell gegen Prostitution” etwas genauer an: Der Sturmlauf auf die Prostitution wird als Emanzipationanliegen verkauft und von Alice Schwarzer in der Emma lanciert.
Prostitution ist Ausbeutung und zugleich Fortschreibung der traditionell gewachsenen Ungleichheit zwischen Männern und Frauen.
Prostitution ist also asymetrisch: Frauen bieten die Dienstleistung an, Männer beziehen sie. Nicht von Menschenhandel ist die Rede, sondern von Frauenhandel, davon dass Frauen zum käuflichen Geschlecht würden, dass Prostitution die Gleichheit der Geschlechter überschatte. Die Forderungen gehen von “Hilfen zum Ausstieg für Frauen in der Prostitution” über “Schutz von Zeuginnen” bis zur “Aufklärung über Frauenkauf”. Im gesamten Appell tauchen die Männer fast ausschliesslich als Unterdrücker auf, als Käufer und Freier. All dies gipfelt in der Forderung:
“Bestrafung der Freier; also der Frauenkäufer“.
So so, Frauenkauf strafbar, Männerkauf nicht? Interessante Idee. Und wenn es Frauen sind, die für Sex mit Frauen zahlen? Meint “Frauenkäufer” auch die Frauenkäuferinnen? Und bliebe umgekehrt der “Männerkauf” immer straffrei, selbst begangen durch Frauen?
Nur fast ausschliesslich habe ich gesagt, weil auch Männer als Anbieter erscheinen, wenn auch nur ein einziges Mal: “Minderheit männlicher Prostituierter”. Ihre Existenz (und damit auch ihre Erwähnung) allerdings passt überhaupt nicht zum Rest, denn durch sie wird ja eine Beschränkung auf “Frauenhandel” und “Frauenkauf” sinnlos und widerspricht zudem der These von der Prostitution als Geschlechterungleichheit. Dass sie überhaupt erwähnt werden, ist wohl der politischen Korrektheit geschuldet, Quotenmänner also. Männer, die für Sex eine Gegenleistung erwarten oder fordern (denn die gibt es tatsächlich, und nicht nur in dem doch eher emanzipationsfernen, weil nicht auf Gegengeschlechtlichkeit bezogenen Bereich der Homosexualität), sind offenbar nicht emanzipationsbedürftig. Denn Männer, so sie sich für Geld hingeben, tun dies natürlich freiwillig. Jedenfalls freiwilliger als Frauen. Männer scheinen also – qua Männer – schon emanzipiert und daher – anders als ihre weiblichen Gegenstücke – für ihre Entscheidungen nicht nur selbst verantwortlich, sondern – anders als jene – zu freien Entscheidungen durchaus fähig.
Wenn wir unsere Kraft, unsere Zeit, Arbeit oder Phantasie gegen Geld eintauschen, tun wir es offenbar freiwillig. Um Geld zu verdienen, die Welt zu beherrschen, bewundert, begehrt oder beneidet zu werden. Selber schuld. Anderes scheint für die Prostitutionsgegner zu gelten, wenn wir unsere Körper nicht zum Bauen, Bedienen oder Kämpfen nutzen, sondern für sexuelle Dienstleistungen. Aber selbst diese Ausnahme gilt nur für Frauen, denn natürlich wollen Männer eigentlich immer Sex. Sogar wenn sie dafür bezahlt werden. Sogar, wenn sie ihn nicht wollen, wollen sie ihn eigentlich. Frauen aber erleiden ihn. Denn sogar, wenn sie ihn wollen, wollen sie ihn eigentlich nicht wirklich.
Willkommen zurück in den 50er Jahren! Nur – wozu dann das Emanzipationsgerede?
by Filifjonka | Mar 22, 2014
Berner Zeitung vom 18. März 2014, zum “Polizeieinsatz bei Tagesfamilie”
Bis zum Abschluss der Untersuchungen gilt für den verdächtigen Mann die Unschuldsvermutung.
So, so. “Gilt die Unschuldsvermutung”, nicht etwa: “Ist der Mann nicht schuldig, kein Verbrecher, wissen wir nicht oder ist nicht bewiesen, dass …” Aber daran ist man ja schon gewöhnt. Allerliebst aber ist, dass auch diese “Vermutung” nur noch bis zum Abschluss der Untersuchungen gelten soll. Polizei und Staatsanwaltschaft finden heraus, wie es wirklich war. Der Strafprozess und sein Ausgang sind dann nur noch weitgehend obsolete Formalien. Wenigstens ehrlich.
by Erg Onduidelijk | Feb 18, 2014
Ein deutscher Parlamentarier soll angeblich in Kanada Bilder nackter Kinder bestellt haben. Nachdem er in den Medien reihum der Kinderpornographie bezichtigt wurde, scheint sich nun herauszustellen, dass die Bilder nun doch nicht pornographisch gewesen sein sollen, sondern lediglich – wie wir jetzt gelernt haben – «Posing».
Und was lernen wir daraus weiter: Dass Verbreitung und Erwerb derartiger nicht-pornographischer Bilder nackter Kinder nicht strafbar sind, ist – eine Strafbarkeitslücke!
Der Stern führt aus:
Im Strafrecht wird bei Kinderpornografie zwischen Kategorie eins und Kategorie zwei unterschieden. Bei Kategorie zwei sind nackte Kinder, aber nicht explizit ihre Genitalien im Fokus. Solche Aufnahmen sind nach derzeitiger Gesetzeslage nicht strafbar. Bei Kategorie eins handelt es sich um strafbares kinderpornografisches Material.
Soso, Kategorie eins und Kategorie zwei. Und Kategorie zwei ist nicht strafbar. Und schon tauchen Zweifelsfälle auf: Was haben wir denn hier?
Ist das Kategorie drei? Nicht näher identifizierte nackte Haut? Und am End’ auch nicht strafbar? Oder auch Kategorie zwei? Fragen über Fragen also, hier müssen die Strafrechtler wohl noch etwas über die Bücher, bei der Kategorisierung strafloser Hautbilder scheint mir hier doch noch beträchtlicher Erklärungsbedarf zu bestehen.
Vielleicht ja aber auch bald nicht mehr in dieser Form, sollten doch auch «Posing»-Bilder strafbar werden, denn, so der Stern-Artikel weiter:
Auch Kinderschutzbund-Präsident Heinz Hilgers plädierte dafür, den Kauf und Verkauf von Fotos mit nackten Kindern generell unter Strafe zu stellen. Es handle sich um einen schweren Verstoß gegen die Menschenwürde, wenn mit solchen Bildern Geschäfte gemacht würden, sagte Hilgers dem “Kölner Stadt-Anzeiger”. Schließlich würden die Opfer nicht nach ihrem Einverständnis gefragt.
Genau: Leute photographieren ist eine Verstoss gegen die Menschenwürde. Dabei kann es ja wohl nicht darauf ankommen, ob da noch Kleider drumrum sind um die Leute oder nicht, weil drin sind ja immer noch die Leute, oder? Auch Kinderphotos mit Kleidern sind ja regelmässig in reiferen Jahren ein Quell grosser Peinlichkeit. Insofern müsste man gestützt auf diese Argumentation sinnvollerweise auch das Photographieren von Kinderfaschingsumzügen unter Strafe stellen, denn kaum etwas kann wohl demütigender sein, als wenn erfolgreiche Kernphysikerinnen oder Investmentbanker mit Kinderphotos konfrontiert werden, wo sie eher halbherzig als Zauberer, Elfe oder Blume kostümiert und mit müdem bis traurigem Gesicht auf irgendeinem Kindergartenumzug zu sehen sind. Kaum je wird man froher sein, das auf dem Photo nicht mehr zu sein.
Eigentlich dient somit auch das Datenschutzrecht ganz unmittelbar dem Schutz der Menschenwürde, reglementiert es doch die Verbreitung von Bildern (die ja auch Personendaten sind) von Menschen ganz allgemein.
So besehen machen die Taliban das wahrscheinlich schon richtig: Immer alles hübsch einpacken, damit die Würde schön frisch bleibt.
by Erg Onduidelijk | Jan 15, 2014
In der letzten Woche wurde die Schweiz von einem Ereignis bewegt, das eigentlich relativ schnell erzählt ist: Auf einer wichtigen, in ihrer Wichtigkeit durch die Kombination eines Buchstabens, der ganz früh im Alphabet kommt mit einer sehr niedrigen Zahl hervorgehobenen Autobahn kollidierte ein auf einem Tieflader mitgeführter Bagger, den man offenbar noch etwas besser hätte zusammenfalten können mit einer Autobahnbrücke. Dies in einer Gegend, die von den meisten offenbar nur als unwirtliche Ödnis wahrgenommen wird, die man durchquert, wenn man von einer grossen Stadt in eine andere grosse Stadt kommen möchte, was offenbar die meisten Bewohner des Landes mittlerweile mehrmals täglich tun. Die Autobahn musste für einige Stunden gesperrt werden, weil man befürchtete, dass der Bagger vielleicht etwas zu viel von der Brücke mitgenommen haben könnte und diese in der Folge einstürzen könnte, worauf sie in der Folge nach Anbringung einer Stützkonstruktion aus Stahl aber verzichtete. Bis dahin stundenlange Staus, arglose Verkehrsteilnehmer verstopften während Stunden die Strassen in Ortschaften, von deren Existenz sie allenfalls in schweissgetränkten Fieberträumen geahnt hatten, wenn überhaupt. Noch immer ist unklar, ob noch Automobilisten in den unwegsamen Waldgebieten um Fislisbach herumirren und sich nun mit Schneestürmen, Wölfen und Bären herumschlagen müssen.
Und was hat der Bagger nun freigelegt, ausser der mürben Tragkonstruktion einer Brücke? Für einmal geht es nicht um Verkehrspolitik.
Zunächst einmal wird der unglückliche Chauffeur, der eigentlich doch schon genug Kummer hat mit seinem ungenügend zusammengelegten Huckepackbagger von der ehemals „stärksten Zeitung der Schweiz“ (und wohl immer noch der Marktführerin für Nichtgratisschund) kontinuierlich als „Bagger-Depp“ bezeichnet.
Bagger-Depp kracht in Brücke
Fuhrunternehmer und SVP-Nationalrat Giezendanner sagt:
Es war das grosse Thema in der Znüni-Pause, auch dank Blick. Keiner will ein ‚Bagger-Depp’ sein.
Strafbar ist die wenig empathische Bezeichnung wohl nicht, da die Qualifikation beruflicher Leistungen als ungenügend zwar die soziale Geltung einer Person beeinträchtigt, nicht jedoch seine „sittliche“ Ehre, wonach dem Grundsatze nach niemand als böser, im sittlichen Bereich bemakelter Mensch bezeichnet werden sollte. Der Haken an einem Zivilverfahren wäre, dass da wenig zu holen ist und man sich wohl zweimal überlegen wird, ob man in einem wagemutigen Blatt lesen möchte:
Bagger-Depp verklagt Blick
Umso widerlicher die Betitelung eines Menschen, der möglicherweise einen Fehler begangen hat durch Infotainer, die für eine Pointe ihre Grossmutter auch in mundgerechten Stücken verkaufen würden.
Der Unfall wurde von einem nachfolgenden Autofahrer mit einer sog. „Dashcam“, einer auf dem Armaturenbrett installierten Digitalkamera gefilmt und natürlich sofort leserreportermässig irgendwelchen Medien übermittelt und sodann veröffentlicht. Daran habe – so 20 Minuten – der EDÖB nun keine Freude:
“Solche Dashcams können das Datenschutzgesetz verletzen», sagte die Mediensprecherin seines Büros, Eliane Schmid, auf Anfrage. «Die Betroffenen wissen nicht, dass sie gefilmt werden und können sich so auch nicht dagegen wehren» «So können Videos mit erkennbaren Autonummern und Gesichtern im Internet landen, ohne dass die Betroffenen überhaupt davon Kenntnis haben.» Ein rechtmässiger Einsatz von Dashcams könnte nur schwer gerechtfertigt werden.
Völlig unabhängig davon, ob der Einsatz solcher Kameras sinnvoll ist und ob mit so verfertigten Aufnahmen in einem Verfahren Staat zu machen wäre und schliesslich auch abgesehen davon, dass ein rechtmässiger Einsatz keiner Rechtfertigung mehr bedürfte: Ist es nicht einigermassen albern und unrealistisch, in einer bilderhungrigen Gesellschaft wie der unseren irgendwelche Filmchen Privater zu brandmarken, weil darauf irgendwelche Gesichter oder Autonummern erkennbar sein könnten? Mit dieser Argumentation ist wohl fast jeder Urlaubsschnappschuss eine Bedrohung für den Datenschutz, denn ganz oft sind auf diesen Photos irgendwelche Leute. Sind das jetzt alles Datensammlungen? Das Datenschutzrecht outet sich so einmal mehr als selbstvergessenes Kunstprodukt, das nicht nur weitestgehend ineffizient ist, sondern nur sehr lose mit den Bedürfnissen der Bürger verknüpft ist, was aber kunstvoll hinter hohlen Phrasen und komplizierten Prozeduren versteckt wird.
Wir lernen also: Einen Menschen in die Pfanne hauen und in aller Öffentlichkeit als Bagger-Deppen bezeichnen, ist ok. Filmchen machen, wo Leute drauf sein könnten, geht aber gar nicht.
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