The Hidden Law

The Hidden Law does not deny
Our laws of probability,
But takes the atom and the star
And human beings as they are,
And answers nothing when we lie.

It is the only reason why
No government can codify,
And legal definitions mar
The Hidden Law.

Its utter patience will not try
To stop us if we want to die:
When we escape It in a car,
When we forget It in a bar,
These are the ways we’re punished by
The Hidden Law.

Wystan Hugh Auden

Wohlmeinende Menschen

Nachdem ich mir wochenlang mit diesen und tausend anderen Fragen das Hirn zermartert hatte, begann ich, mit mir selbst Gespräche zu führen, und leider nicht nur leise, sondern bisweilen mit Stimme, und leider nicht nur für mich alleine, sondern bisweilen in Gesellschaft, wie etwa beim Besuch von Freunden, auf dem dortigen Klo, und leider in einer Lautstärke, die durch die Tür gedrungen sein musste, was zu einer Versammlung zunächst empörter, danach besorgter, schließlich betretener Gesichter führte. Man wollte wissen, was ich getrieben und mit wem ich mich auf dem Klo unterhalten habe. Ich antwortete nicht und ließ die Leute stehen. Das Einzige, was ich von diesen wohlmeinenden Menschen zu erwarten hatte, waren tröstende Worte, und Trost war das Letzte, dessen ich bedurfte.

Lukas Bärfuss: Koala, Göttingen: Wallstein 2014: 25

Rechtsanwälte als Psychopathen

The survey is unique: the first of its kind to assess the prevalence of psychopathic traits within an entire national workforce. Participants were directed onto my Website, where they completed the Levenson Self-Report Psychopathy Scale and were then given their score. But that wasn’t all. They also entered their employment details. What would turn out to be the U.K.’s most psychopathic profession? I wanted to know. And, for that matter, its least? The results, revealed below, certainly make interesting reading—especially if you’re partial to a sermon or two on a Sunday.

+ PSYCHOPATHY    -PSYCHOPATHY
1. CEO    1. CareAide
2. Lawyer    2. Nurse
3. Media (TV/Radio)    3. Therapist
4. Salesperson    4. Craftsperson
5. Surgeon    5. Beautician/Stylist
6. Journalist    6. Charity Worker
7. Police Officer    7. Teacher
8. Clergyperson    8. Creative Artist
9. Chef    9. Doctor
10. Civil Servant    10. Accountant

But a couple of weeks later the following appeared in my in-box, from one of the survey’s respondents. He’s a barrister by trade—indeed, one of the U.K.’s finest—who’d posted a score that certainly got my attention. Yet, to him, it was nothing unusual. No big deal whatsoever:

“I realized from quite early on in my childhood that I saw things differently from other people,” he wrote. “But, more often than not, it’s helped me in my life. Psychopathy (if that’s what you want to call it) is like a medicine for modern times. If you take it in moderation it can prove extremely beneficial. It can alleviate a lot of existential ailments that we would otherwise fall victim to because our fragile psychological immune systems just aren’t up to the job of protecting us. But if you take too much of it, if you overdose on it, then there can, as is the case with all medicines, be some rather unpleasant side effects.”

The e-mail had got me thinking. Might this eminent criminal defense lawyer have a point? Was psychopathy a “medicine for modern times”? Could taking it in moderation, twiddling those dials a little to the right on our respective psychopath mixing desks—at certain times, in certain specific contexts—actually be good for us?

Kevin Dutton: The Wisdom of Psychopaths. What Saints, Spies, And Serial Killers Can Teach Us About Success, New York: Farrar 2012, 162 f.

Morgens …

Spricht Vladimir Nabokov

Night is always a giant.

Recht hat er. Aber der Morgen, der Morgen! Manchmal fragt man sich, wie die bornierte Buchhalter-Mentalität, die zunehmend die Welt in ihren Griff bekommt, überhaupt auszuhalten wäre, wenn nicht im Ausnahmezustand.

Well, woke up this morning with a wine glass in my hand.
Whose wine? What wine? Where the hell did I dine?
Must have been a dream I don’t believe where I’ve been.
Come on, let’s do it again.

Singt Peter Frampton in Do You Feel Like We Do, auf Acid. Dazu braucht man allerdings keinen Sherm oder Sherman.

Das alles ist nicht neu. Cecco Angiolieri (1260-1312) besingt es bereits in seinem berühmten Sonett (Eine englische Übersetzung findet sich hier):

S’i’ fosse foco, arderéi ‘l mondo;
s’ i’ fosse vento, lo tempesterei;
s’i’ fosse acqua, i’ l’annegherei;
s’i’ fosse Dio, mandereil’en profondo;

s’i’ fosse papa, sare’ allor giocondo,
ché tutti cristïani imbrigherei;
s’i’ fosse ‘mperator, sa’ che farei?
A tutti mozzarei lo capo a tondo.

S’i fosse morte, andarei da mio padre;
s’i’ fosse vita, fuggirei da lui:
similemente farìa da mi’ madre.

S’i’ fosse Cecco, com’i’ sono e fui,
torrei le donne giovani e leggiadre:
e vecchie e laide lasserei altrui.

Alles politisch wenig korrekt und daher als Referenzgrösse nicht tauglich. Und doch: Nur Gartenzwerge können Verzweifelten böse sein, die in malerische Feuerwerke explodieren, um langsam zu verglühen.

Prinzessinnen und Philosophie

Schreibt Karl Rosenkranz, der dritte Nachfolger auf Kants Lehrstuhl in Königsberg in seinen “Königsberger Skizzen” (unauffindbar und selbst im Reprint schweineteuer) folgendes:

Die Strasse des Kantischen Hauses hat einen recht vornehmen Namen: Prinzessstrasse. Aber Prinzessinnen überhaupt sind etwas so Gewöhnliches, als Prinzessinnen, die Philosophie studirten, wie Christine von SchwedenCharlotte von Preussen, etwas Ungewöhnliches. Ein Kant hingegen ist eine Seltenheit, wie nur Jahrhunderte sie zeitigen. Dazu kommt noch, dass wir hier nicht einmal Prinzessinnen haben, so ein grosser Überfluss daran auch in der Welt ist, für uns würde daher die Benennung Kant’s Strasse eine lebendige, tief eingreifende sein.

Ja, ja, der grosse Überfluss an Prinzessinnen …

Schönheit …

Wir haben schon verschiedentlich über die Haut gesprochen, über das Leiden, die Sinnlichkeit als einzig zuverlässige (weil notwendig konkrete) Kriterien. Im erwähnten Zwillingsstück zum “Wiedergefundenen Freund” von Fred Uhlman, der Erzählung “No Coward Soul Im Mine” findet sich eine sehr hübsche Passage, die das für die Schönheit illustriert (Der wiedergefundene Freund, Zweiter Teil: Die Aufzeichnungen des Konradin von Hohenfels, DVA 1989, 103 f.):

Ich erinnere mich, wie ich einmal im Bus einer eher durchschnittlichen Frau gegenübersaß. Sie erregte meine Begier mehr als jede Frau, der ich begegnet bin, und ich bin einigen der schönsten Frauen begegnet. Ich wollte nur noch eines: mit ihr ms Bett gehen. Sie tat nichts, sie sah mich nur an, während sich ihre Lippen, sehr sinnliche Lippen, leicht öffneten. Ich war so erregt, daß ich ihr folgen wollte, als sie aufstand, aber natürlich blieb ich sitzen, wohIerzogen wie ich war. Aber sie verfolgte mich in meinen Träumen: Ich sah ihren prachtvollen Hintern unter dem knapp sitzenden Rock. (Gab es nicht die Statue einer griechischen Göttin »mit dem schönen Gesäß«?) Wie soll man sich die schöne Helena vorstellen? Ich habe keine Ahnung, wie sie aussah. Aber es ist überliefert, daß Tausende für sie gestorben sind und Weib und Kinder vergessen haben. Ob aber ich sie als Gegenüber im Bus unwiderstehlich gefunden hätte? Vielleicht wäre sie mir als Schönheit erschienen. Ob sie jedoch in mir den Wunsch erregt hätte, mit ihr ins Bett zu gehen? Hätte ich von ihrem Hintern geträumt?

Klassische griechische Schönheit kann jede Liebe töten. Ich habe in meinem kurzen Leben zwar nur einige wirklich schöne Frauen kennengelernt, aber sie ließen mich kalt, mein Herz schlug nicht schneller bei ihrem Anblick, und ich spürte nicht das geringste Verlangen, sie zu entkleiden.

Ich habe mir da eine Theorie zurechtgelegt, von er ich jetzt in der Vergangenheitsform sprechen muss: Einzig jene Frauen waren schön, bei denen man begehrte, sie auszuziehen, ihre Brüste zu berühren, ihren Hintern anzufassen, ihr Haar zu streicheln, sie einzuatmen, sie aufzufressen – ob Hure oder Herzogin, das spielte keine Rolle.

Wie wunderbar ehrlich das ist. Handelt es sich nicht immer genau darum: Sich selbst zu spüren, seine eigene Haut, seine eigenen Empfindungen freizulegen unter all dem Wust von Ideen, Konzepten und Vorstellungen anderer (die wir ja immer auch ein wenig übernehmen)? Und wenn wir das tun, wird nicht Schönheit sehr persönlich, unvergleichlich? Wie könnten wir da mit einem überkommenen oder herrschenden Ideal übereinstimmen? Werden nicht sogar die Merkmale, die sie für uns konstituieren, unsagbar? Wie könnten wir das je erklären? Und ist dies nicht gerade der Kern der Wahrheit? Dass sie nicht sagbar ist? Und gilt – sobald es tatsächlich Unseres ist – gleiches nicht für die Liebe und – ja –, auch für den Schmerz. Noch einmal Auden (The Sea and the Mirror: A Commentary on Shakespeare’s The Tempest, 1944; Prospero to Ariel):

                                    Can I learn to suffer
Without saying something ironic or funny
On suffering? I never suspected the way of truth
Was a way of silence where affectionate chat
Is but a robbers’ ambush and even good music
In shocking taste; and you, of course, never told me.

Und nachträglich entdeckt (wie sich doch die Dinge zusammenfügen und die Bücher sich finden): Aus der eben erwähnten Erzählung von Uhlman ( 118) genau dies:

Echte Schönheit verlangt völlige Stille. Ein einziges Wort kann sie vernichten. Schönheit, große Schönheit kann schmerzen. Es gibt Augenblicke, da möchte man eigentlich weinen, und jeder Laut – von einer Stimme, einem Auto, einem Radio, sogar von einem Raben – kann alles zerstören, wie ein Stein, der in einen Teich mit roten und weißen Seerosen geworfen wird.