by Filifjonka | Oct 2, 2013
Gegenstände
Tote gegenstände sind immer in ordnung und man kann ihnen, leider, nichts vorwerfen. Es ist mir niemals gelungen, einen stuhl ausfindig zu machen, der er von einem bein auf das andere träte, oder ein bett, das kopfstünde. Auch tische, sogar wenn sie müde sind, wagen es nicht, niederzuknien. Ich habe verdacht, daß die gegenstände es aus erzieherischen gründen tun, um uns ständig unsere unbeständigkeit vorzuhalten.
Zbigniew Herbert: Herrn Cogitos Vermächtnis, Frankfurt 2000, 149
by Filifjonka | Sep 29, 2013
wir sollten uns weder willkommen noch abschied sagen wir leben auf inselmeeren
und dieses wasser die worte was sollen was sollen sie prinz
aus: Zbigniew Herbert: Fortinbras’ Klage
Nicht wahr, das ist das eigentliche Faszinosum: Dass man überhaupt etwas sagen kann, dass sich der Augenblick überhaupt “sagen” lässt. Dass wir den Eindruck haben können, wir verstünden uns.
by Filifjonka | Sep 29, 2013
es ist wie sie uns erklären
der schrei von müttern denen man ihre kinder entreisst
denn wie es sich zeigt
werden wir einzeln erlöst
die schutzengel sind ohne rücksicht
sie haben alles was recht ist schwierige arbeit
aus: Zbigniew Herbert: Am Tor des Tals
Gleichheit nicht einmal im Tod, nicht wahr, denn wir werden einzeln erlöst. Selbst Engel vermögen daran nichts zu ändern.
by Filifjonka | Sep 29, 2013
mein kleiner Finger
ist warm
leicht nach innen gebogen
mit einem nagel am ende
er besteht aus drei gliedern
wächst direkt aus dem handteller
wäre er von ihm getrennt
wäre er ein ziemlich grosser wurm
er ist ein besonderer finger
der einzige in der welt kleine finger der linken hand
mir direkt gegeben
andere kleine finger der linken hand
sind kalte abstraktion
mit meinem
habe ich ein gemeinsames geburtsdatum
todesdatum
das gemeinsame alleinsein
aus: Zbigniew Herbert: Versuch einer Beschreibung
by Lektürlich | Sep 19, 2013
… erschreckend-verstörend treffsicher:
Rast
Wir machten rast im städtchen der wirt
ließ den tisch in den garten tragen der erste stern
ging auf und erlosch wir brachen das brot
man hörte heimchen zirpen in den dosten des abends
und weinen doch weinen des kindes dazu die geschäftigkeit
von insekten menschen gesten geruch der erde
die mit dem rücken zur mauer saßen
sahen – lilafarben jetzt – den hügel der galgen
den dichten efeu der exekution am gemäuer
wir assen viel
wie immer wenn niemand zahlt
Zbigniew Herbert.
Aus: Inschrift, übersetzt von Karl Dedecius, Suhrkamp 1973.
by Lektürlich | Sep 19, 2013
Fragen Stellen ähnelt dem Jüngsten Gericht
“And you never asked about the—place with the door?” said Mr. Utterson.
“No, sir: I had a delicacy,” was the reply. “I feel very strongly about putting questions; it partakes too much of the style of the day of judgment. You start a question, and it’s like starting a stone. You sit quietly on the top of a hill; and away the stone goes, starting others; and presently some bland old bird (the last you would have thought of) is knocked on the head in his own back-garden and the family have to change their name. No, sir, I make it a rule of mine: the more it looks like Queer Street, the less I ask.”
“A very good rule, too,” said the lawyer.
Robert Louis Stevenson: The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde,
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