by Filifjonka | Jul 20, 2014
Und wenn wir schon bei Engeln und Dämonen sind, so sei auch Samael erwähnt, ein Erzengel oder Dämon (man ist sich nicht einig, ob er gut ist oder schlecht), der Engel des Todes, der im siebten Himmel wohnt, aber Herrscher des fünften Himmels ist, wo er über zwei Millionen Engel gebietet, nach dem Talmud – wie sinnig für den Fürsten der Dunkelheit – auch er blind.
by Filifjonka | Jul 16, 2014
Ich fuhr nach schwerem Tag
über Land durchs Paradies
mich auszuruh’n.
Der Mond stand tief,
die Engel schliefen,
die Erde aber roch nach Liebe und nach Ewigkeit
als der Himmel mir gefror.
Wer wird mich halten, wenn ich falle,
in dieser milden Mainacht,
wer meine Augen schliessen, wenn das Licht versinkt
im Geruch von frisch geschnitt’nem Gras,
wenn sanft die Nacht sich auf mein Blut legt, es durchdringt,
das Blut, das ich verrate mannigfach,
das sich verbissen wehrt und doch ermüdet
nach und nach.
…
Wer wird mich schützen jetzt,
vor Dir,
wer wird ihn schützen jetzt,
vor mir,
wer wird mich schützen
vor mir.
Ein später Jogger rennt die Strasse lang.
Eine Katze auf Mäusejagd wartet vergeblich auf ihr Opfer.
by Filifjonka | Jul 16, 2014
Was tut einer, wenn er sich in der Welt verliert? Was tut er, wenn er sich im Leben verliert? Oder in sich selbst? Oder in der Liebe? Spricht er stumm den Hirtenpsalm (Psalm 23):
Der Herr ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
ER weidet mich auf grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
ER erquicket meine Seele.
ER führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück,
denn DU bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
DU bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
DU salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.
Natürlich tut er das. Doch hilft ihm das nicht wirklich. Zumindest nicht länger als das Aufsagen des Psalmes dauert. Und danach? Was tut er, wenn er in die Gaskammer eintritt? Er betet das Schma Jisrael. So wurde es jedenfalls berichtet. Doch scheint auch dies nichts anderes bewirkt zu haben als der Hirtenpsalm. Was tut einer, wenn er seinem Henker entgegentritt (das ist ja nicht selten er selbst)? Grüsst er ihn? Vielleicht. Freundlich? Möglicherweise. Immer aber stumm. Und er betet. Natürlich. Auch er. Sein hoffentlich eigenes Gebet:
gib herr
dass dieser böse traum
sein ende finden mag
bald lass die kühle nacht
auf meine lider sinken
der verbrannten stadt
gewähre das vergessen
nicht trost und keinen kuss
erlaube dieser stunde
nur einen dunklen fluss
in dem kein stern sich spiegelt und
ganz weit
den schrei der eule
die dem nahen licht zu weichen
sich erhebt zum flug
Bevor er verstummt. Endgültig:
I never suspected the way of truth
Was a way of silence where affectionate chat
Is but a robbers’ ambush and even good music
In shocking taste; and you, of course, never told me. (Auden)
Dann aber spannt die Seele weit ihre Flügel aus und fliegt durch stille Lande, als flöge sie nach Haus. (Eichendorff)
by Filifjonka | Jun 30, 2014
… und wenn wir schon beim Weinen sind, dieser “elenden Gewohnheit” wie Borges sagt: Bestimmte Himmel, Farbstimmungen oder musikalische Harmonien bringen mich praktisch immer zum Weinen. Ich habe nie verstanden warum. Ob andere das wohl auch kennen?
by Filifjonka | Jun 30, 2014
Ja, nur allzu wahr, Cioran war gross, und hat es bitterlich bezahlt am Ende. Mein liebster Satz von ihm:
Il n’est guère qu’un signe qui atteste qu’on a tout compris : pleurer sans sujet.
Gibt übrigens auch einen hübschen Essay von ihm zum reaktionären Denken, speziell Joseph de Maîstre.
by Filifjonka | May 27, 2014
In der Ballad of Reading Goal, der Ballade vom Zuchthaus zu Reading, die Oscar Wilde 1897 schreibt, ein halbes Jahr nachdem er aus diesem Gefängnis entlassen wurde, wo er wegen Homosexualität zwei Jahre verbracht hat, heisst es an einer Stelle:
Like two doomed ships that pass in storm
We had crossed each other’s way:
But we made no sign, we said no word,
We had no word to say;
For we did not meet in the holy night,
But in the shameful day.
Das beschreibt wohl die meisten unserer Begegnungen. Vielleicht besteht darin gar das Malaise unserer Zeit: zuviel Tag, zuwenig Nacht.
Die Ballade ist ein Juwel. (Merkwürdig erscheint mir heute angesichts ihrer Länge allerdings, dass ich sie einst ohne Mühe vollständig auswendig hersagen konnte). Wilde ist immer gut, aber Gefängnis und Zwangsarbeit haben kalte Glut entstehen lassen, die ihresgleichen sucht und an der er dann innert zweier Jahre zugrunde gehen wird. Nicht aber, ohne etwas zu notieren – und das ist das eigentliche Thema der Ballade –, das klarsichtiger und zutreffender ist als das meiste, was je über die Liebe gesagt wurde (und deshalb wohl auch so verwirrend und bedrückend):
Yet each man kills the thing he loves
By each let this be heard,
Some do it with a bitter look,
Some with a flattering word,
The coward does it with a kiss,
The brave man with a sword!
Some kill their love when they are young,
And some when they are old;
Some strangle with the hands of Lust,
Some with the hands of Gold:
The kindest use a knife, because
The dead so soon grow cold.
Some love too little, some too long,
Some sell, and others buy;
Some do the deed with many tears,
And some without a sigh:
For each man kills the thing he loves,
Yet each man does not die.
Fürchterlich. Das Einzige, was dem Tod zu widerstehen, ihn zu besiegen vermag, ist selbst mörderischen Charakters. Tatsächlich. So verstörend dies sein mag, so zutreffend ist es doch.
Jeder in seiner eigenen Nacht. Besonders tagsüber.
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