Die “Zivilgesellschaft” habe gewonnen bei der Abstimmung über die Durchsetzungsinitiative, konnte man allenthalben lesen. Ich frage mich, ob die solches schreiben, überhaupt wissen, was sie sagen. Worte können nur dann überhaupt eine Bedeutung haben, wenn diese Bedeutung sich von anderen unterscheidet. Was aber wäre nicht “Zivilgesellschaft”? Die Adelsgesellschaft? Die Militärgesellschaft? Die Kapitalgesellschaft? Sind denn Verbände oder politische Parteien nicht Teil der Zivilgesellschaft? Ist die SVP nicht Teil der Zivilgesellschaft?
Ein Begriff aber, der schlicht alles umfasst, ist bedeutungsleer, bleibt Geschwätz und Geschwurbel.
Du kennst das ganz gewiss – und verstehst, ohne dass ich es erklären muss: Du bist so müde, dass Du nicht einmal sagen magst, was ist.
Ist nicht alles wirkliche Verständnis letztlich selbstverständlich und deshalb stumm, braucht keine Erklärung, keine Rechtfertigung (“Es gibt freilich Rechtfertigung; aber die Rechtfertigung hat ein Ende.” Wittgenstein, Über Gewissheit, Nr. 158)? Ist nicht jede Erklärung und jede Rechtfertigung ein Versuch der Abstraktion? Ein Versuch, das Unvergleichliche, das Einmalige in einen Kontext zu rücken, es herzuleiten (was ganz unnötig und sinnlos ist, denn es hat ja stattgefunden), es mit Anderem zu vergleichen und damit denjenigen verständlicher zu machen, die es nicht zu verstehen vermögen? Entwerten damit Erklärung und Rechtfertigung – trotz all ihrer gutgemeinten Ziele – nicht gerade das, was sie zu verteidigen vorgeben? Berauben sie es nicht seiner Einmaligkeit, seiner Evidenz?
Und sind Rechtfertigungen denn überhaupt möglich? Bleiben sie letztlich nicht immer sinnlos? Weil diejenigen, die verstehen, sie nicht benötigen sie, und sie diejenigen, die es nicht tun, nicht zu überzeugen vermögen.
Vielleicht ist dies, was uns erschöpft, dass Rechtfertigung und Erklärung letztlich nur dort überhaupt möglich, wo sie gerade nicht nötig sind.
Die NZZ erläutert zum Fall der Flucht eines Strafgefangenen gemeinsam mit seiner Aufseherin
An einen ähnlichen Vorfall wie jenen im Gefängnis Limmattal kann sich hierzulande niemand erinnern. Dennoch wird das Handeln der jungen Aufseherin Konsequenzen haben, und das ist gut so. Der Fall, so singulär er ist, zeigt die Notwendigkeit auf, die bestehenden Sicherheitskonzepte neu zu überprüfen, Eingespieltes zu hinterfragen, den Faktor Mensch ernster zu nehmen.
So so. Daraus also, dass es etwas praktisch nicht vorkommt, ergibt sich das Ungenügen der Sicherheit. Ebenso natürlich wie daraus, dass es häufig oder gar dauernd vorkommt.
Der Kluge schliesst daraus, dass die Sicherheit offenbar grundsätzlich und immer ungenügend ist. Das scheint dem gegenwärtigen Verständnis von Sicherheit inhärent.
Bleibt einzig die Frage, wieso ein offenbar derart gefährlicher Prozess wie das Leben (das ja per definitionem lebensgefährlich ist) überhaupt in Angriff genommen bzw. fortgeführt werden sollte.
Wir werden in der Zukunft sehen, ob das eine tragbare Lösung ist.
Ach ja? Warum denn dort? Warum werden wir es denn nicht in der Gegenwart sehen, oder gar in der Vergangenheit? Wäre doch apart: “Wer werden das in der Vergangenheit sehen.” und “Wir werden das in der Gegenwart sehen.” Analog könnten wir dann wohl auch die Vergangenheit in der Zukunft haben. “Wir haben das nächste Woche gesehen.”
Nun denn. Syngenta wird also doch verkauft. Zwar nicht an Amerikaner, sondern an Chinesen. Allüberall aber herrscht Misstrauen und Unsicherheit, weil die US-amerikanischen Wettbewerbsbehörden den Deal doch noch verhindern könnten. Merkwürdig, die amerikanischen, nicht die schweizerischen oder die chinesischen? Inwiefern könnte denn der US-amerikanische Wettbewerb eingeschränkt sein durch die Übernahme einer ausländischen Unternehmung durch eine andere ausländische Unternehmung, so fragt sich der naive Laie?
Rudolf Strahm, der abtretende Preisüberwacher, erklärt das in einem Gespräch vom 5. Februar 2016 (zu hören auf DRS4 hier) unverhohlen mit nationalistischen Motiven (ca. ab dem Zeitpunkt 3’15”). Die Interviewerin B. Widmer ist ebenfalls sehr direkt und sagt gerade heraus, dass die US-amerikanische Wettbewerbsbehörde prüfe, ob “diese Übernahme” gegen Landesinteressen verstosse. Notabene US-amerikanische Landesinteressen. Strahm erläutert, dass die Amerikaner bei multinationalen Konzernen “immer über fast unbeschränkte Macht” verfügten, weil sie ein wichtiger Markt seien, den sie eben einfach für andere sperren könnten. Eine solche Entscheidung wäre “eigentlich gegen alle Börsenregeln, gegen alle internationalen Regeln, möglicherweise auch gegen GATT, WTO und TRIPS-Abkommen”, aber die Amerikaner könnten sich eben durchsetzen.
Was für ein schönes Beispiel, dass Regeln für die Mächtigen da sind. Natürlich, wirst Du sagen, denn die Mächtigen bestimmen über den Ausnahmezustand. D.h. nichts anderes, als dass die Regeln angewendet werden, wenn sie einen Schwächeren betreffen, oder jedenfalls kein Interesse des Mächtigen daran besteht, sie nicht anzuwenden. Im umgekehrten Fall, gilt ganz Anderes.
Regeln, so scheint es, nützen primär den Mächtigen. Und zwar auch, und das ist die Crux, demokratisch erlassene (und damit höchst legitime und legitimierte) Regeln. Denn die eigentliche Macht liegt nicht in der Entscheidung, welche Regeln gelten sollen, sondern in derjenigen, auf welche Fälle sie angewendet werden sollen, d.h. eben in der Möglichkeit, sie nicht anzuwenden. Die eigentliche Macht wohnt in der Ausnahme.
Wenn aber auch nur teilweise stimmt, dass Regeln den Mächtigen nützen und die Ohnmächtigen einschränken, was bedeutet es dann, dass in der westlichen Welt ganz ohne Ausnahme die Zahl der Regeln zunimmt, ja explodiert? Entwickelt sich dieses krebsartige Wuchern von Regeln parallel zur Konzentration von Reichtum oder läuft es dieser Entwicklung zuwider? Ich fürchte, die Antwort ist deutlich, auch wenn sie uns nicht gefällt. Wer mächtig ist, hat wenig Freunde, aber Regeln gehören – wider alle Erwartung – dazu.
Ist sie nicht schön, die Globalisierung? Sogar der Spiegel berichtet, wenn in New York ein Kran umfällt. Das scheint offenbar wichtiger, als wenn in China ein Sack Reis umfällt.
So so. Die EU und die USA haben sich auf eine Ersatz-Lösung geeinigt für das vom EuGH gekippte Safe-Harbor-Abkommen, wie der Spiegel berichtet. Die Unternehmen liefern weiterhin Daten aus Europa in die USA. Dass die sich dabei an europäisches Datenschutzrecht halten wird zukünftig überwacht. Und von wem wird das wohl überwacht? Was glaubst Du? Richtig! Vom US-Handelsministerium! Und wer sich nicht an europäische Gesetze hält, dem drohen US-amerikanische Sanktionen. Na, wenn das nicht eine pfiffige Lösung ist.
Schau doch mal die Mittelschicht an, sagen wir von der 3. bis zur 6. oder 7. Dezile. Dann wird auch deutlich, was uns in Europa von den USA unterscheidet. Noch.
Irgendwo in Deutschland, nachts, gegen 23h, in einer Bar. Am Nachbartisch zwei Männer, um die 45, in Massanzügen, Krawatten gelockert, oberster Knopf am Hemd geöffnet. Man ist leger.
– Die Mutti spinnt. Die lässt alle rein. Das kann nicht gut gehen.
– Absolut. Die Grenzen müssen dicht gemacht werden.
– Weisst Du, ich habe drüber nachgedacht. Alle meinen, die Schliessung der Grenzen würde eine humanitäre Katastrophe herbeiführen. Weisst Du was ich denke? Diese humanitäre Katastrophe wäre nur temporär.
– Meinst Du?
– Nach einigen Monaten nehmen die Flüchtlingsströme ab. Die wären so abgeschreckt, die würden nicht mehr kommen. Ok, eine humanitäre Katastrophe, aber eben nur begrenzt. Die übertreiben so alle, unglaublich.
Und plötzlich fällt mir auf, dass auch der Holocaust nur temporär sein sollte. Bis es eben keine Juden/Kranke/Roma/etc. mehr geben würde. Temporäre Katastrophen, halb so wild. Sind ja nur für kurze Zeit. Die übertreiben so alle, unglaublich.
Die Unterwerfung unter den Zweck, die Anwendung aller möglichen Mittel, um eben den Zweck zu erreichen. Sklaven des Zweckes, Sklaven. Sklaven denken nicht über das nach, was sie tun. Sklave sein heisst, dem Zweck zu dienen, die eigenen Handlungen auszublenden. Sklaven, überall Sklaven.
Es ist gar nicht so einfach, etwas zu tun, das nicht in Tätigkeit oder Beruf ausartet. Tätigkeit oder Beruf sind die Klippen des heutigen Geschlechts. Sie machen den Menschen passiv, sie verweben ihn in die große Leinewand der bürgerlichen Gesellschaft, bis er zu vergessen anfängt, daß er der Mittelpunkt der Welt ist.
Statt zu bedenken, daß es nur auf ihn ankommt, erfindet er sich die isolationshemmende, gesellschaftsbildende und religionabtötende Vorstellung, es komme auf den Chef an, den Vorgesetzten oder die Schwiegermutter oder den Minister oder sonst irgendeine außenstehende Persönlichkeit. Das ist grundfalsch. Das verdirbt unsere Zeit. Das entgöttert uns und macht uns zur Kreatur, da wir vordem selber uns schufen, selber uns bildeten. Doch genug!
Unsere ganze Zivilisation ist für den Lebenden gemacht, und über den Lebenden hinaus für die Kommenden. Von der Natur haben die Menschen diese Ungerechtigkeit gegen die Lebenden gelernt, von der Natur, die mit Leichnamen düngt. Aber für Sterbende ist kein Raum unter Menschen. Die Toten haben ihren Platz, wo man sie rasch verscharrt. Aber dem Sterbenden ist keine Funktion gelassen.
It is admitted that the presence of people who refuse to enter in the great handicap race for sixpenny pieces, is at one an insult and a disenchantment for those who do.
[…]
It is a sore thing to have laboured along and scaled the arduous hill-tops, and when all is done find humanity indifferent to your achievement.
[…]
A fact is not called a fact, but a piece of gossip, if it does not fall into one of your scholastic categories. An inquiry must be in some acknowledged direction, with a name to go by; or else you are not inquiring at all, only lounging; and the workhouse is too good for you. It is supposed that all knowledge is at the bottom of a well, or the far end of a telescope. Sainte-Beuve, as he grew older, came to regard all experience as a single great book, in which to study for a few years ere we go hence; and it seemed all one to him whether you should read Chapter xx., which is the differential calculus, or in Chapter xxxix., which is hearing the band play in the gardens. As a matter of fact, an intelligent person, looking out of his eyes and hearkening in his ears, with a smile on his face all the time, will get more true education than many another in a life of heroic vigils.
[…]
Extreme busyness, whether at school or college, kirk or market, is a symptom of deficient vitality; and a faculty for idleness implies a catholic appetite and a strong sense of personal identity. There is a sort of dead-alive, hackneyed people about, who are scarcely conscious of living except in the exercise of some conventional occupations. Bring these fellows into the country or set them aboard a ship, and you will see how they pine for their desk or their study. They have no curiosity; they cannot give themselves over to random provocations; the do not take pleasure in the exercise of their faculties for its own sake; and unless Necessity lays about them with a stick, they will even stand still. It is no good speaking to such folk; the cannot be idle, their nature is not generous enough; and they pass those hours in a sort of coma, which are not dedicated to furious moiling in the gold-mill. When they do not require to go to office, when they are not hungry and have no mind to drink, the whole breathing world is a blank to them. If they have to wait an hour or so for a train, they fall into a stupid trance with their eyes open.
[…]
Before he was breeched, he might have clambered on the boxes; when he was twenty, he would have stared at the girls; but now the pipe is smoked out, the snuff-box empty, and my gentleman sits bolt upright upon a bench, with lamentable eyes. This does not appeal to me as being Success in Life.
[…]
There is no duty we so much underrate as the duty to be happy. By being happy we sow anonymous benefits upon the world, which remain unknown even to ourselves, or when they are disclosed, surprise nobody so much as the benefactor.
[…]
When nature is “so careless of the single life,” why should we coddle ourselves into the fancy that our own is of exceptional importance?
[…]
The ends for which they gave away their priceless youth, for all they know, may be chimerical or hurtful; the glory and riches they expect may never come, or may find them indifferent; and they and the world they inhabit are so inconsiderable that the mind freezes at the thought.
Die Brüsseler Polizei soll einen neunten Verdächtigen im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen verhaftet haben, meldet der Spiegel.
Der Lead des Artikels lautet:
Die belgische Polizei hat im Zusammenhang mit den Anschlägen von Paris einen weiteren Verdächtigen festgenommen. Er soll mit der Cousine des mutmaßlichen Drahtziehers, Abdelhamid Abaaoud, telefoniert haben.
Das sieht man wieder, wie gefährlich es sein kann zu telefonieren. Speziell mit Frauen. Die meisten von ihnen sind ja irgendjemandes Cousine. Unklar ist gegenwärtig, ob dieselbe Gefährlichkeit von anderen Telefonaten mit anderen Verwandten ausgeht. Aber die Geheimdienste werden es uns wissen lassen. Oder auch nicht. Etwa wenn Teile ihrer Antwort uns verunsichern würden.
Das ist doch beruhigend. Sicherheit zuerst und zuvorderst!
Schweden möchte den Zustrom von Flüchtlingen stoppen und verlangt von seinen Verkehrsbetrieben Personenkontrollen. Die Schwedische Bahn allerdings hat keine Kapazitäten – und stellt deshalb Fahrten von und nach Dänemark ein, meldet der Spiegel.
Richtig so! Ohne Verkehr auch keine Einwanderung. Das liesse sich natürlich modellhaft erweitern: Ohne Flugverkehr keine terroristischen Anschläge auf Flugzeuge mehr. Und erst recht keine mithilfe von Flugzeugen. Man stelle sich vor, was man alleine durch die wegfallenden Sicherheitskontrollen sparen könnte! Das gesparte Geld könnte man ja dann für Flüchtlinge spenden.
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