wie durch ein Wunder …

“wie durch ein Wunder …” sei dies oder das geschehen, hab’ ich heut’ wieder gehört.
Das heisst einmal, dass überhaupt Dinge durch Wunder geschehen können. Nicht die Dinge selbst oder die Tatsache, dass sie geschehen, sind wunderbar, sondern sie geschehen durch Wunder. Das erscheint in einer aufgeklärt-säkularen Welt primär einmal als phantasievoll und poetisch.

Zum anderen aber distanziert sich die Redewendung eben gerade von der Poesie. Nicht durch ein Wunder geschehen die Dinge (wird ein Kind gerettet, bleibt der prominente Sänger unverletzt), sondern wie durch ein Wunder. Was geschieht, geschieht also gerade nicht durch ein Wunder, sondern sieht nur so aus. Tatsächlich handelt es sich eben um einen völlig “normalen” (also üblichen und alltäglichen) Vorgang, der einzig dadurch einem Wunder gleicht, dass wir ihn nicht erklären können oder (eher noch) dadurch, dass er aussergewöhnlich erscheint, weil er sehr unwahrscheinlich ist.

Entgegen ihrem Anschein wird also durch die Redewendung das Wunder desavouiert, wird auf etwas sehr Seltenes und Aussergewöhliches reduziert, während es doch in Wirklichkeit gerade nichts kausal Erklärbares darstellt, sondern im Gegenteil eine Ausnahme der Kausalität, ja geradezu ihre (nur momentane, damit aber eben auch grundsätzliche) Aufhebung. Das Wunder ist also nicht Wunder, weil es selten ist, sondern weil es einer eigenen Logik, eigenen Regeln folgt bzw. überhaupt ausserhalb Logik und Regeln steht. Das Wunder ist also Ausnahmezustand par excellence, ist sozusagen sein Prototyp.

In der Seltenheits-Perspektive müsste dann eigentlich auch der Tod ein “Wunder” sein, ereignet er sich doch in jedem Leben nur ein Mal (jedenfalls wenn man Glück hat).