Was könnte das für eine Gesellschaft sein, in der Energie darauf verwendet wird, Menschen zu verfolgen, die einen Kaugummi nicht in den Abfalleimer werfen sondern auf die Strasse, die ausspucken oder gar zu schnell fahren?
Offensichtlich eine, in der nicht nur alle genug zu essen haben, sondern auch Kinder nicht misshandelt oder vernachlässigt werden, Frauen treu sind und Freunde nicht weinen müssen, ohne dass man ihnen helfen kann. Eine Gesellschaft, in der alles wohlgeordnet, kontrolliert und sinnhaft erscheint, vom HErrgott selbst für den Menschen liebevoll vorbereitet, ein Ort, wo selbst der Gast seine Schuhe auszieht und vor der Tür abstellt, bevor er eintritt, eine, in der der Müll getrennt und weder geraucht noch zuviel getrunken wird.
Was für eine schöne (neue) Welt. Aber, aber, aber:
Als König Kreon Antigone verbietet, ihren Bruder Polyneikes zu beerdigen, weil der das Vaterland verraten habe, widersetzt sich Antigone mit dem ebenso simplen wie effektiven Satz: “Aber Polyneikes ist mein Bruder!”, einem Satz, der die Essenz des Menschen enthält. Und diese Essenz besteht nicht in der Verwandtschaft oder der Geschwisterliebe, sondern im Partikel “aber”. Denn wenn etwas den Menschen kennzeichnet und definiert, ja auszeichnet, so ist es die Revolte, die Revolte gegen das scheinbar Unabänderlich, die Revolte gegen die Regel, die Revolte letztlich gegen sein Schicksal (vgl. Rage, rage against the dying of the light). Der Anklang an Camus und seinen “L’Homme révolté” ist nicht abwegig.
Egal ob Poesie, Menschlichkeit oder Liebe: Regel und Regulierung sind ihre Feinde. Aber das wissen die Gartenzwerge ja durchaus. Nur ist ihnen eben eine ruhige und sichere Existenz (Leben möchte man das nicht wirklich nennen) lieber, auch wenn sie um den Preis der Kälte erworben werden muss.
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