Es gibt viele hinreissende Gedichte von Joseph von Eichendorff (1788-1857), aber “Im Abendrot” ist eines der unglaublichsten:
Wir sind durch Not und Freude
gegangen Hand in Hand;
vom Wandern ruhen wir beide
nun überm stillen Land.
Rings sich die Täler neigen,
es dunkelt schon die Luft.
Zwei Lerchen nur noch steigen
nachträumend in den Duft.
Tritt her und laß sie schwirren,
bald ist es Schlafenszeit.
Daß wir uns nicht verirren
in dieser Einsamkeit.
O weiter, stiller Friede!
So tief im Abendrot.
Wie sind wir wandermüde–
Ist dies etwa der Tod?
In der Vertonung durch Richard Strauss (1864-1949) (Vier letzte Lieder) ist es schlicht unwiderstehlich:
Die Instrumental-Einleitung des Orchesterliedes übrigens (und nur sie) dient, unterlegt mit den Bildern eines lodernden Feuers, David Lynch als Vorspann zu seinem “Wild at Heart“. Gedicht und Vertonung belegen exemplarisch, dass grosse Schönheit nur sehr schwer erträglich ist (wohl weil sie etwas Absolutes, Totalitäres hat). Vielleicht nicht überflüssig, auf Nathaniel Hawthornes (1804-1864) Kurzgeschichte “The Birthmark” (Das Muttermal) hinzuweisen. Hier im Volltext.
Um die Dinge aus ihrem königlichen Schweigen herauszuführen bedarf es der List oder des Mords. Das Klopfen des Wüstlings zerbricht den zugefrorenen See der Tür, das fallengelassene Gläschen schreit auf dem Steinboden kurz wie ein gläserner Vogel auf, und das angezündete Haus redet mit der vielsagenden Zunge des Feuers, der Zunge des atemlosen Erzählers, davon, wovon das Bett, die Koffer, die Vorhänge schwiegen.
Gnomische Verse, besonders solche, von denen man annehmen kann, dass es sich um esoterische Texte handelt, sollte man eher erklären als wörtlich übersetzen, d.h. man sollte sich ihnen vorsichtig, auf Zehenspitzen über die Bedeutungsstufen nähern, weil Örtlichkeit den Sinn verflacht und das Geheimnis verscheucht.
Z. Herbert: Stilleben mit Kandare, Frankfurt 1996, 139
Du schaust auf mein hände
und sagst – sie sind schwach wie blumen
du schaust auf meinen mund
zu klein um zu sagen welt
– schaukeln wir lieber auf dem stengel der augenblicke
trinken wind
und sehen zu wie uns die augen versinken
der duft des welkens ist der allerschönste
und die gestalt der ruinen betäubt
…
wenn die quelle der sterne verdorrt
werden wir den nächten leuchten
wenn der wind versteinern sollte
werden wir die luft erschüttern
Lettre du 4 septembre 1850 à Louis Bouilhet in: Correspondance (1973), Gustave Flaubert, éd. Gallimard (Bibliothèque de la Pléiade), 1980, t. I, p. 679
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