Schutzengel

es ist wie sie uns erklären
der schrei von müttern denen man ihre kinder entreisst
denn wie es sich zeigt
werden wir einzeln erlöst

die schutzengel sind ohne rücksicht
sie haben alles was recht ist schwierige arbeit

aus: Zbigniew Herbert: Am Tor des Tals

Gleichheit nicht einmal im Tod, nicht wahr, denn wir werden einzeln erlöst. Selbst Engel vermögen daran nichts zu ändern.

Poeten und ihre Hilflosigkeit

… und auch dies wahr, unglücklicherweise

Outside the street’s on fire
In a real death waltz
Between what’s flesh and what’s fantasy
And the poets down here
Don’t write nothing at all
They just stand back and let it all be
And in the quick of the night
They reach for their moment
And try to make an honest stand
But they wind up wounded
Not even dead
Tonight in Jungleland

Bruce Springsteen, Jungleland

Diese Polen …

… erschreckend-verstörend treffsicher:

Rast

Wir machten rast im städtchen der wirt
ließ den tisch in den garten tragen der erste stern
ging auf und erlosch wir brachen das brot
man hörte heimchen zirpen in den dosten des abends
und weinen doch weinen des kindes dazu die geschäftigkeit
von insekten menschen gesten geruch der erde

die mit dem rücken zur mauer saßen
sahen – lilafarben jetzt – den hügel der galgen
den dichten efeu der exekution am gemäuer

wir assen viel
wie immer wenn niemand zahlt

Zbigniew Herbert.
Aus: Inschrift, übersetzt von Karl Dedecius, Suhrkamp 1973.

Fragen stellen …

Fragen Stellen ähnelt dem Jüngsten Gericht

“And you never asked about the—place with the door?” said Mr. Utterson.

“No, sir: I had a delicacy,” was the reply. “I feel very strongly about putting questions; it partakes too much of the style of the day of judgment. You start a question, and it’s like starting a stone. You sit quietly on the top of a hill; and away the stone goes, starting others; and presently some bland old bird (the last you would have thought of) is knocked on the head in his own back-garden and the family have to change their name. No, sir, I make it a rule of mine: the more it looks like Queer Street, the less I ask.”

“A very good rule, too,” said the lawyer.

Robert Louis Stevenson: The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde,

Theodizee? Kein Problem!

Eine sehr hübsche Visualisierung von Randy Newman’s “God’s Song”

Besonders hübsch:

Lord, if you won’t take care of us
Won’t you please please let us be?

Prüderie im 17. und 21. Jahrhundert

Erzählt Tallemant des Réaux (1619-1692) in seinen Historiettes, über Heinrich IV. (1553-1610) in der gleichnamigen Geschichte zur Begegnung Heinrichs mit Fanuche, einer seiner vielen Geliebten:

Quand on luy produisit la Fanuche, qu’on luy faisoit passer pour pucelle, il trouva le chemin assez frayé et il se mit à siffler. « Que veut dire cela? » luy dit-elle. — « C’est » respondit-il, que j’appelle ceux qui ont passé par icy. — Picquez, picquez, » dist-elle. « vous les attraperrez. »

Den letzten Satz (also die Antwort Fanuches auf Heinrichs freche Bemerkung) findet man nicht in der 1. und 2. Ausgabe der Historiette von 1834 und 1840. Sucht man in Google nach Tallemant und Fanuche kommt man auf diese verstümmelten Fassungen (ebenso die Encyclopédie de l’Agora). Prüderie des 19. Jahrhunderts, die sich auf Internet fortsetzt. Erst in der 3. Ausgabe von Mommerqué und Paulin im Jahre 1862 findet sich der vollständige Text (vgl. Archive.Org hier, bzw. im dirketen Link auf Google Books hier).

Raoul Rosières übrigens, in seiner Publikation (Une Historiette de Tallemant des Réaux, annoté par un folkloriste, Paris 1894, 12) zweifelt unter Verweis auf Bonaventura des Périers wohl zurecht an der Authentizität der Bemerkung.