Einem Besucher der Schweiz wird im Strassenbild auffallen, dass die lokalen Supermarktketten ganz überwiegend Wortmarken in Orangetönen verwenden, also die Städte und Dörfer um vergleichsweise simple Schriftzüge wie “MIGROS” und “coop” bereichern.
In den Niederlanden ist demgegenüber das blaue “AH”-Logo, gerne um den Schriftzug “albert heijn” ergänzt, sehr verbreitet. Bemerkenswerterweise operieren daselbst auch andere Ketten wie etwa “Hoogvliet” mit blau und weiss. Andere Anbieter wie “C1000” und “Plus” sind zwar nicht blau, machen aber auch primär ihren Namen zum Logo.
Auch die europäischen Marktführer im Discountbereich “Aldi” und “Lidl” gehen ganz ähnlich vor: Name (bei Aldi immerhin ergänzt durch ein stilisiertes “A”) als Logo. Das ist alles mässig emotional.
Wappentiere sind in Europa eine recht seltene Erscheinung. Spontan käme mir da eigentlich nur der etwas kantige Löwe, der das Logo der belgischen Supermarktkette “Delhaize” ziert, in den Sinn (und der es immerhin über die Tochter “Mega Image” bis nach Rumänien geschafft hat).
Ganz anders die Situation in Polen. Hier ziert eine wahre Armada niedlicher Wappentiere die Städte und Dörfer!
Sowohl “Biedronka”, ein etwas aldiesques Ladenformat mit sehr vielen Filialen also auch “Żabka”, der mutmassliche Marktführer bei den Convenience-Läden haben niedliche, diminutive Wappentierchen, das Marienkäferchen und das Fröschlein. Ob die Neigung zu niedlichen Wappentieren mit der so bewegten wie streckenweise schmerzhaften Geschichte des Landes zu tun hat und mit dem damit verbundenen Streben nach heiler Welt? Oder werden die Polen von Marketingverantwortlichen eher als warmherzige, tierliebende Gemütsmenschen wahrgenommen als etwa die Schweizer und Niederländer, denen augenscheinlich der Sinn eher nach Klarheit und Coolness im Marktauftritt zu stehen scheint? Vielleicht wäre die Welt eine bessere, wenn wir mehr niedliche Tierchen in Supermarktlogos hätten.
Il arrive parfois qu’au détour d’une promenade matinale, l’oeil du promeneur se pose sur un détail curieux, cocasse, voire perturbant.
Il en fut ainsi lorsque j’aperçus, il y a quelques jours, l’enseigne d’un marchand de tapis:
Voilà que mon errance matinale se transforma en réflexion métaphysique sur le choix conscient ou non d’une enseigne à la dualité équivoque.
Malgré son hellénisation, le “i” ne saurait se cacher plus longtemps aux yeux de l’historien averti qui aura tôt fait de sourire à l’allusion quelque peu inappropriée quoique certainement involontaire et vraisemblablement inconsciente, renvoyant potentiellement aux cheveux des victimes de l’holocauste, soigneusement rasés afin d’être utilisés dans divers produits.
Au-delà de l’allusion politiquement incorrecte, cette anecdote nous montre également que l’auteur d’un énoncé n’est pas maître du sens de celui-ci. C’est bien plutôt son récepteur qui le crée, à partir de son expérience d’une part (et donc de sa connaissance ou non de l’holocauste) et du contexte d’autre part.
Le spectateur attentif et optimiste aura toutefois remarqué qu’il s’agit bien d’un “importateur en direct” et non d’un “déportateur en direct”.
Es gibt viele hinreissende Gedichte von Joseph von Eichendorff (1788-1857), aber “Im Abendrot” ist eines der unglaublichsten:
Wir sind durch Not und Freude
gegangen Hand in Hand;
vom Wandern ruhen wir beide
nun überm stillen Land.
Rings sich die Täler neigen,
es dunkelt schon die Luft.
Zwei Lerchen nur noch steigen
nachträumend in den Duft.
Tritt her und laß sie schwirren,
bald ist es Schlafenszeit.
Daß wir uns nicht verirren
in dieser Einsamkeit.
O weiter, stiller Friede!
So tief im Abendrot.
Wie sind wir wandermüde–
Ist dies etwa der Tod?
In der Vertonung durch Richard Strauss (1864-1949) (Vier letzte Lieder) ist es schlicht unwiderstehlich:
Die Instrumental-Einleitung des Orchesterliedes übrigens (und nur sie) dient, unterlegt mit den Bildern eines lodernden Feuers, David Lynch als Vorspann zu seinem “Wild at Heart“. Gedicht und Vertonung belegen exemplarisch, dass grosse Schönheit nur sehr schwer erträglich ist (wohl weil sie etwas Absolutes, Totalitäres hat). Vielleicht nicht überflüssig, auf Nathaniel Hawthornes (1804-1864) Kurzgeschichte “The Birthmark” (Das Muttermal) hinzuweisen. Hier im Volltext.
Um die Dinge aus ihrem königlichen Schweigen herauszuführen bedarf es der List oder des Mords. Das Klopfen des Wüstlings zerbricht den zugefrorenen See der Tür, das fallengelassene Gläschen schreit auf dem Steinboden kurz wie ein gläserner Vogel auf, und das angezündete Haus redet mit der vielsagenden Zunge des Feuers, der Zunge des atemlosen Erzählers, davon, wovon das Bett, die Koffer, die Vorhänge schwiegen.
Gnomische Verse, besonders solche, von denen man annehmen kann, dass es sich um esoterische Texte handelt, sollte man eher erklären als wörtlich übersetzen, d.h. man sollte sich ihnen vorsichtig, auf Zehenspitzen über die Bedeutungsstufen nähern, weil Örtlichkeit den Sinn verflacht und das Geheimnis verscheucht.
Z. Herbert: Stilleben mit Kandare, Frankfurt 1996, 139
Du schaust auf mein hände
und sagst – sie sind schwach wie blumen
du schaust auf meinen mund
zu klein um zu sagen welt
– schaukeln wir lieber auf dem stengel der augenblicke
trinken wind
und sehen zu wie uns die augen versinken
der duft des welkens ist der allerschönste
und die gestalt der ruinen betäubt
…
wenn die quelle der sterne verdorrt
werden wir den nächten leuchten
wenn der wind versteinern sollte
werden wir die luft erschüttern
Lettre du 4 septembre 1850 à Louis Bouilhet in: Correspondance (1973), Gustave Flaubert, éd. Gallimard (Bibliothèque de la Pléiade), 1980, t. I, p. 679
Das Offensichtliche zuerst: Die Haut bildet eine Art Grenze. Jenseits von ihr ist Imagination, Extrapolation, Konstruktion. Diesseits sind wir. Die Haut umgrenzt uns, umreisst uns, hüllt uns ein, trennt uns von der Welt. Erst die Haut definiert uns in gewisser Weise, definiert unsere Konturen zumindest. So weit, so scheinbar klar. Aber eben nur scheinbar. Eine Art Grenze hatte ich gesagt, damit eine Grenze meinend, die nicht nur Grenze ist. Denn auch das Gegenteil dessen, was ich eben gesagt habe, ist wahr: Die Haut verbindet uns, öffnet uns, eröffnet uns der Welt. Erst die Haut ermöglicht uns, in Kontakt mit der Welt zu treten, sie ist Brücke und Bindeglied. Doch auch dies ist nicht oder nur teilweise wahr: Denn auch diesseits der Haut ist (wie jenseits von ihr) nur Imagination, Extrapolation, Konstruktion. Diesseits der Haut ist die Wahrnehmung ebenso zu Ende wie jenseits von ihr. Unser Hirn etwa oder unsere Lungen sind wahrnehmungsfrei. Und wenn die Haut also Bindeglied oder Brücke zwischen den beiden Bereichen sein soll, die sie trennt, dann ist sie essentiell Brücke zwischen zwei imaginären Bereichen, zwei Imaginationen, zwei Konstruktionen. Eine Brücke im Leeren, die von nirgendwo nach nirgendwo führt. Streng genommen, gibt es nur Haut und Leere – beängstigende, erschreckende Leere. Streng genommen gibt es nur Oberfläche.
Darin lehrt uns die Haut Ähnliches wie die Zwiebel: Immer gehen wir davon aus (sinnsüchtig, wie wir sind), dass es etwas gebe hinterden Dingen, unter der Oberfläche, einen Kern, ein Wesen, etwas Tieferes (oder Höheres, je nach Perspektive), das sich zu suchen lohne. Und wir sind nur allzu leicht bereit, die von uns gar wenig geschätzte Oberfläche hinzugeben für dieses Tiefere, Höhere, Grössere, für ein Versprechen letztlich. Die Haut aber, und ihre Freundin, die Zwiebel, lehren uns anderes: Wir können Zwiebelschale für Zwiebelschale entfernen, es kommt immer wieder eine andere, tieferliegende zum Vorschein, bis – ja bis – nichts mehr bleibt. In der Mitte findet sich nicht ein Kern, sondern schlicht – Nichts. Die Zwiebel ist Zwiebelschale. Zu vermuten steht (und die Haut spricht sehr deutlich dafür), dass menschliche Existenz (und nicht nur menschliche, nehme ich an) nicht einer Babuschka bzw. Matrjuschka-Puppe gleicht, sondern eben einer Zwiebel. Dass es mithin gar keinen Kern gibt, sondern nur Oberfläche.
“Wer nach dem Sinn des Lebens fragt, ist krank”, soll Freud gesagt haben, weil die Frage impliziert, dass das Leben auf etwas hin orientiert sei, ein Ziel oder einen Sinn, die ihm exogen wären. Leben wäre also blosses Mittel zu einem wie immer gearteten Zweck. Als wäre es sich selbst (und uns) nicht genug.
Könnte es nicht sein, dass wir, denen es leichter fällt, das Leben als Strafe zu sehen, denn als ganz und gar sinnlos, das eigentliche Wunder verkennen? Die Brücke, die vom Nirgendwo ins Nichts führt. Könnte es nicht sein, dass die instrumentalistische Perspektive selbst das Problem ist, weil sie die Poesie zerstört und damit den Sinn, den sie zu suchen vorgibt, gerade vernichtet? Könnte es nicht sein, dass die Haut weiser ist, als wir glauben? Könnte es sein, dass sie weiser ist als wir?
Tote gegenstände sind immer in ordnung und man kann ihnen, leider, nichts vorwerfen. Es ist mir niemals gelungen, einen stuhl ausfindig zu machen, der er von einem bein auf das andere träte, oder ein bett, das kopfstünde. Auch tische, sogar wenn sie müde sind, wagen es nicht, niederzuknien. Ich habe verdacht, daß die gegenstände es aus erzieherischen gründen tun, um uns ständig unsere unbeständigkeit vorzuhalten.
Zbigniew Herbert: Herrn Cogitos Vermächtnis, Frankfurt 2000, 149
Die Ladenkette “Landi” galt bislang ja eher als grundsolide Anlaufstelle für Futtermittel, Gartenbedarf und Gemüse. Tempora mutantur. Heute gibt es dort scharfe Schotten. Kiloweise.
wir sollten uns weder willkommen noch abschied sagen wir leben auf inselmeeren
und dieses wasser die worte was sollen was sollen sie prinz
aus: Zbigniew Herbert: Fortinbras’ Klage
Nicht wahr, das ist das eigentliche Faszinosum: Dass man überhaupt etwas sagen kann, dass sich der Augenblick überhaupt “sagen” lässt. Dass wir den Eindruck haben können, wir verstünden uns.
mein kleiner Finger
ist warm
leicht nach innen gebogen
mit einem nagel am ende
er besteht aus drei gliedern
wächst direkt aus dem handteller
wäre er von ihm getrennt
wäre er ein ziemlich grosser wurm
er ist ein besonderer finger
der einzige in der welt kleine finger der linken hand
mir direkt gegeben
andere kleine finger der linken hand
sind kalte abstraktion
mit meinem
habe ich ein gemeinsames geburtsdatum
todesdatum
das gemeinsame alleinsein
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