Verheiratet sein

Gina Wegner: Du allein mit allem? Ich bin allein. Ich verdiene das Geld. Und wenn ich heimkomme, steht überall schmutziges Geschirr, weil der Dichter nicht damit belästigt werden kann, den Tisch abzuräumen.

Wegner: Hältst du mir das jetzt vor? Dass du das Geld verdienst?

Gina Wegner: Das Geschirr halte ich dir vor. Nicht das Geld.

Wegner: Du fängst jetzt mit Geschirr an?

Gina Wegner: Wir sind verheiratet, da geht es immer um Geschirr. Und ums Staubsaugen und darum, wer den Müll rausträgt. Und ja, natürlich geht es auch ums Geld.

Wegner: Eines Tages. Ich wusste es. Eines Tages würdest du mir das vorwerfen.

Gina Wegner: Gut, dann ist der Tag heute.

Daniel Kehlmann: Der Mentor, in: 4 Stücke, Hamburg 2019, 123

Warum schreiben?

Rubin: Es gibt viele Arten zu schreiben, aber es gibt gute Ergebnisse und schlechte. Das hier ist schlecht. Tot und missraten.
Gesucht poetisches Geschwurbel ohne Poesie, ohne
Entwicklung, ohne Anfang und Ende. Sie haben das geschrieben, weil Sie sich irgendwann entschieden haben, Schriftsteller zu sein, und weil man nicht gut Schriftsteller sein kann, ohne irgendwas zu schreiben.

Daniel Kehlmann: Der Mentor, 4 Stücke, Hamburg 2019, 115

Wissen, worum es geht

Wegner: Wie soll ich das in einem Satz erklären? Ich bin nicht beim Film. Wenn ich wüsste, worum es geht, hätte ich das nicht schreiben müssen. .

Rubin: Das haben Sie jetzt nicht wirklich gesagt, oder?

Daniel Kehlmann: Der Mentor, in:  4 Stücke, Hamburg 2019, 114

Schrecklich

Rubin: Aber so leicht machen wir es uns nicht, oder? Jetzt habe ich es schon mal gelesen. Da wollen Sie doch sicher wissen

Wegner: Ein wenig neugierig bin ich schon.

Rubin: im Manuskript blätternd Das ist alles furchtbar.

Wegner: Bitte?

Rubin: Schrecklich. Ganz und gar schrecklich. Das taugt wirklich gar nichts. Bitte, das heißt nicht, dass Sie nicht begabt sind. Nur merkt man es nicht. Nicht hier. Nicht in diesem… Nicht hier. Pause. Im letzten Drittel sind kaum noch Tippfehler. Pause. Ich hätte das nicht so drastisch formulieren sollen. Entschuldigen Sie. Es gibt schon auch Stellen, die… Nein, es ist alles furchtbar.

Wegner: Machen Sie Witze?

Rubin: Schön wär’s. Ich war auf so etwas nicht gefasst.

Daniel Kehlmann: Der Mentor, in: 4 Stücke, Hamburg 2019, 111 f.

Namen

Rubin: Wo wurde Ihr Stuck aufgeführt.

Wegner: Hannover. Kammerbühne. Es ist ziemlich aufwendig, schwer nachzuspielen. Mein zweites Stück, «Ohne Namen», an dem wir hier arbeiten werden, ist sparsamer in den Mitteln.

Rubin: Es hat keinen Namen?

Wegner: Doch, es heißt «Ohne Namen».

Rubin: Wollen Sie ihm keinen Namen geben?

Wegner: Aber das habe ich doch.

Daniel Kehlmann: Der Mentor, in: 4 Stücke, Hamburg 2019, 99

Auf welcher Seite

Und alle sind wir jetzt tot, egal auf welcher Seite wir standen. Nur ist es eben nicht egal. Es ist nie egal, auf welcher Seite einer steht.

Daniel Kehlmann, Die Reise der Verlorenen,  in:  Vier Stücke, Hamburg 2019, 200

Mikrophone

Judith: Sie haben uns doch gestern zugehört. Sie haben sicher Mikrophone in meiner Wohnung versteckt.

Thomas: So was machen wir nicht.

Judith: höhnisch Weil Sie die Bürgerrechte achten?

Thomas: Weil das nicht nötig ist. Wir verstecken keine Mikrophone mehr. Er hebt vielsagend sein Mobiltelefon. Heutzutage bringen die Leute die Mikrophone selbst ins Haus.

Daniel Kehlmann, Heilig Abend, in: Vier Stücke, Hamburg 2019, 176

Streichtage

Du kannst jeden Tag etwas tun, das Dir Freude bereitet, etwas, das Du noch nie getan hast, oder etwas, das Dir Angst macht. Einen Tag, an dem Du keines der Drei getan hast, kannst Du getrost aus Deinem Leben streichen.

Die Schweiz das neue Nordkorea

Unter dem Titel «Hilfe für Gastronomie» titelt die Basler Zeitung heute, am 14. Oktober 2020: Baselland erlaubt elektrische Heizstrahler für Gastrobetriebe. Man reibt sich die Augen. Wie bitte? Das war verboten? Das muss genehmigt werden? Ganz offenbar. Zum Wohle der Menschheit und ihrer Zukunft. Hatten wir das nicht schon einmal, dass wir hier und heute eingeschränkt und gequält wurden für die ganz wunderbaren Zeiten, die später auf uns warten würden? Krisenzeiten fördern Heilserwartungen. – Und Totalitarismus.

Blamabel!

Die NZZ am Sonntag hat am 10. Oktober 2020 darüber berichtet, dass sich die Experten im Frühling über die Grippeimpfung stritten. Im Rahmen dieses Artikels verglich das Blatt die Grippeimpfquoten bei Senioren, also die Prozentanteile der Senioren, die sich gegen Grippe impfen lassen, in verschiedenen Ländern und stellte fest, dass sich in Grossbritannien 72% der Senioren impfen lassen, in den Niederlanden, Griechenland, Spanien, Italien und Frankreich mehr als die Hälfte, in der Schweiz aber nur 31% (weniger sogar als in Deutschland, wo es 35% sind). Das nennt die NZZaS einen «blamabel tiefen Wert in Europa». Unklar dabei bleibt allerdings, wieso sich jemand blamiert, wenn er sich nicht impfen lässt. Weil er etwas anderes tut, als viele andere in Europa?

Journalisten (nicht die Medien, sondern diejenigen, die berichten) scheinen ganz offensichtlich Varianz, Vielfalt und unterschiedlichen Regelungen feindlich gesinnt zu sein. Zumindest wo es sich nicht um Privates und Persönliches wie Geschlecht oder sexuelle Präferenzen handelt, sondern um Politik. Jede regional orientierte Regelung wird einheitlich abschätzig als «Flickenteppich» bezeichnet und bei unterschiedlichen Regelungen stets so intensiv nach Sinn und Effizienz unterschiedlicher Regelungen gefragt, dass man nur schwer glauben kann, dass die Medienschaffenden auch nur im Ansatz die Funktion von Demokratie und Föderalismus verstanden haben. Immer sind Diktaturen nicht nur einheitlicher, sondern auch effizienter als Demokratien. Wem nicht einleuchtet, dass in Bern und Zürich nicht dieselben Regeln gelten, der müsste wohl erklären, warum das anders sein sollte bei Unterschieden zwischen einzelnen Ländern. Warum nicht eine einheitliche Regelung für die gesamte Menschheit?

Aber die NZZ? Die NZZaS? Weniger als ein Drittel aller Senioren lässt sich hierzulande gegen Grippe impfen. Was für eine Blamage! Weniger als halb soviel wie in Grossbritannien oder den Niederlanden. Ich schäme mich für die Schweiz. Und ihre Bevölkerung.

Und die NZZaS.

Down, down, down

A «Es wird immer schlimmer…»

B «Das ist immer so…»

A «…»

B «…»

A «Der einfache Teil ist vorbei.»

B «Auch das ist immer so…»