und weil’s so schön war, hier nochmals ein Ausschnitt:
Von seinem Tod berichten vier Überlieferungen:
Nach der ersten wurde er in Sangerhausen von Bauern erschlagen, als er ihnen ihre bevorstehende Niederlage im Kampf gegen die Fürsten wahrheitsgemäss voraussagte und sich weigerte, mit ihnen gegen Mühlhausen zu gehen.
Nach der zweiten entkam er den Knüppeln der Bauern, wurde von den Soldaten des Herzogs von Sachsen in Mühlhausen aufgegriffen und als Späher der aufständischen Bauern im Narrenkostüm auf dem Marktplatz erhängt.
Nach der dritten Überlieferung rettete ihn der Herzog Georg von Sachen, nachdem Eulenspiegel die Bürger der Stadt mit seinen Verrenkungen unter dem Galgen vor Lachen fast um den Verstand gebracht hatte, liess ihn zur Siegesfeier auf sein Schloss bringen und zu Tode kitzeln, als Eulenspiegel kein Witz über die Dummheit der Bauern mehr einfiel.
Nach der vierten entkam er den betrunkenen Fürsten, ginge vier Jahre lang unerkannt durch das Land, die Bauern zur Tötung des Verräters Eulenspiegel aufrufend und wurde schliesslich vor dem Grabstein, den die Bürger der Stadt Mölln dem unsterblichen Clown Eulenspiegel gesetzt hatten, von Kindern wegen der Verhöhnung ihres totgeglaubten Helden erstochen.
Thomas Brasch: Eulenspiegel, in: Vor den Vätern sterben die Söhne, Bibliothek Suhrkamp 1355, Berlin 2012 [urspr. 1977], 123
Ich halte es nicht mehr aus, sagte Frau Fastnacht. Seit du aus Meissen zurückbist, hast du nicht ein einziges Mal mit mir geschlafen. Was ist los mit Dir?
Was soll ich sagen.
Meinst Du, ich weiss nicht, schrie Frau Fastnacht, dass du jede Nacht aufstehst und auf der Toilette onanierst wie ein Zehnjähriger. Ich will nicht nicht darüber reden, sagte Fastnacht.
Aber ich, sagte Frau Fastnacht und begann zu weinen. Wen habe ich ausser dir. Mit wem kann ich denn darüber sprechen. Soll ich es den Frauen im Büro erzählen und dich schlecht machen, wie es die anderen mit ihren Männern tun?
Nicht weinen, sagte Fastnacht.
Nicht weinen, schrie Fastnacht.
Thomas Brasch: Fastnacht, in: Vor den Vätern sterben die Söhne, Bibliothek Suhrkamp 1355, Berlin 2012 [urspr. 1977], 104
“wie durch ein Wunder …” sei dies oder das geschehen, hab’ ich heut’ wieder gehört.
Das heisst einmal, dass überhaupt Dinge durch Wunder geschehen können. Nicht die Dinge selbst oder die Tatsache, dass sie geschehen, sind wunderbar, sondern sie geschehen durch Wunder. Das erscheint in einer aufgeklärt-säkularen Welt primär einmal als phantasievoll und poetisch.
Zum anderen aber distanziert sich die Redewendung eben gerade von der Poesie. Nicht durch ein Wunder geschehen die Dinge (wird ein Kind gerettet, bleibt der prominente Sänger unverletzt), sondern wie durch ein Wunder. Was geschieht, geschieht also gerade nicht durch ein Wunder, sondern sieht nur so aus. Tatsächlich handelt es sich eben um einen völlig “normalen” (also üblichen und alltäglichen) Vorgang, der einzig dadurch einem Wunder gleicht, dass wir ihn nicht erklären können oder (eher noch) dadurch, dass er aussergewöhnlich erscheint, weil er sehr unwahrscheinlich ist.
Entgegen ihrem Anschein wird also durch die Redewendung das Wunder desavouiert, wird auf etwas sehr Seltenes und Aussergewöhliches reduziert, während es doch in Wirklichkeit gerade nichts kausal Erklärbares darstellt, sondern im Gegenteil eine Ausnahme der Kausalität, ja geradezu ihre (nur momentane, damit aber eben auch grundsätzliche) Aufhebung. Das Wunder ist also nicht Wunder, weil es selten ist, sondern weil es einer eigenen Logik, eigenen Regeln folgt bzw. überhaupt ausserhalb Logik und Regeln steht. Das Wunder ist also Ausnahmezustand par excellence, ist sozusagen sein Prototyp.
In der Seltenheits-Perspektive müsste dann eigentlich auch der Tod ein “Wunder” sein, ereignet er sich doch in jedem Leben nur ein Mal (jedenfalls wenn man Glück hat).
Ist die Annahme nicht tröstlich, dass etwas, das wir sagen können, auch existieren muss (oder wenigstens existieren können muss d.h. potentiell existiert)? Bedeutet es doch, dass irgendjemand tatsächlich treu ist, dass es möglich ist, fair zu sein und dass Glaube, Liebe, Hoffnung wirklich bestehen könnten.
Kunikunde brachte uns Kunde vom “Versteckspiel um Snowden“. Bemerkenswert ist daran doch auch, dass jemand, von dem manche sagen, er sei ziemlich oft am Arsch und noch darunter, und andere wiederum, er stehe immer etwas zwischen den Stühlen (in concreto: 16A und 18A und seitlich 17C), ins grelle Licht der Öffentlichkeit gezerrt wird: Sitz 17A. Normalerweise ein kleiner, unauffälliger Held des Alltags in tragender Funktion, mit verstellbarer Rückenlehne und ebensolcher Nackenstütze, gänzlich unauffällig ungefähr in der Mitte der mittleren Kabine eines Airbus 330 der Aeroflot, am Fenster aber doch ohne viel Aussicht wegen des Flügels, von Seatguru schnöde als “Standard Economy Seat” bezeichnet. Doch mittlerweile scheint Sitz 17A sogar zu twittern! Wachgeküsst durch die plötzliche Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit hat Sitz 17A seine literarische Stimme gefunden und tut uns seine innere Leere kund. Auch dies natürlich nicht unbeobachtet, sondern begleitet von den Argusaugen der Medien. Das sind die ergreifenden kleinen Geschichten, die sich eben auch hinter dem grossen Theater der Welten verbergen und sich ihren Weg ins Scheinwerferlicht bahnen. Die 15 Minuten Ruhm von Sitz 17A.
Mancherorts wird schon gemunkelt, dass dies ein Marketingcoup der Fluggesellschaft Aeroflot sei, denn so viel “Seite 1” (oder, “la une”, für unsere frankophonen Freunde) bekommt man normalerweise nur mit einem Grounding oder einem Absturz, und bei beidem scheint die Aussenwirkung eher ambivalent zu sein. Dabei wird übersehen, dass der Schuss auch nach hinten los gehen kann:
Künftigen Whistleblowern wird unbarmherzig vor Augen geführt, dass man als Whistleblowing-Celebrity nicht notwendigerweise ein Upgrade in die Business Class erhält, sondern auf 17A eingecheckt wird (obwohl sich der Erwerb eines flexiblen Tickets doch angesichts etwas volatiler Reisepläne bei einer solchen Flucht durchaus bezahlt machen könnte und ja angesichts des leeren Sessels möglicherweise auch bezahlt gemacht hat; pro memoria: DSK wurde immerhin aus der ersten Klasse bzw. – das war ja Air France – “La Première” geholt).
Künftigen Reisenden wird nicht verborgen geblieben sein, dass man bei Aeroflot offenbar risikiert, auf bräunlich-orangen Sitzen befördert zu werden – das mag nun wirklich nicht jeder (in den neueren A 330 der Aeroflot sind die Sitze übrigens in beiden Klassen mit blauem Leder bezogen, für Nervenkitzel beim Einsteigen ist also gesorgt).
Hier übrigens noch ein nahezu weltexklusiver Blick ins Familienalbum von 17A aus unbeschwerten Jugendzeiten, als 17A noch nicht berühmt war.
Anscheinend war er gar nicht an Bord des Fluges nach Cuba. Dafür 25 Medienvertreter. Hoffentlich geniessen sie ihren Aufenthalt in Cuba auch ohne Titelseite Interview. In der Zwischenzeit prüft der Aussenminister von Ecuador in Hanoi das Asylgesuch von Snowden. Entschieden werde auf den Grundlagen der Meinungsäusserungsfreiheit und der Menschenrechte.
Zum Glück haben wir die Medien, die uns immer informieren, auch bei völliger Unkenntnis.
Das Comité régional du tourisme und die Industrie- und Handelskammer Paris Ile de France möchten die Einwohner besagter Region besser auf den Umgang mit Touristen einstimmen und erhoffen sich so, etwas gegen den Ruf eher überschaubarer Freundlichkeit der Bewohner des Grossraums Paris gegenüber den Besuchern tun zu können. Zu diesem Zweck wurde nun die Website doyouspeaktouriste.fr eingerichtet. Hier findet man u.a. Fichen über die Gewohnheiten und Besonderheiten einiger Besuchergruppen und kleine Sprachbeispiele mit Hörproben – auf dass man gewappnet sei, wenn eine Chinesin im Laden auftaucht und ein T-Shirt in Grösse 8 kaufen möchte.
Interessant sind in diesem Zusammenhang die feinen Unterschiede zwischen den verschiedenen Fassungen vergleichbarer Dialoge. So wird bei der Buchung eines Hotelzimmers in aller Regel das Frühstück thematisiert. Stellt der Gast die Frage, ob es denn auch englisches Frühstück gebe, lernt der Gastgeber die Antwort, dass natürlich nicht (man ist ja immerhin in Paris, und wo kämen wir denn da hin), aber dass ein kontinentales Frühstück mit süssen und salzigen Bestandteilen geboten werde. Auf deutsch klingt das dann recht drollig:
Sie haben die wahl zwischen der variante “gesalzen” und der variante “süss”.
Obschon die Preise in Paris meist gesalzen sind: Beim Frühstück gibt es zwei präzise benannte Varianten! An deren genauer Benennung tut man auch gut, denn die Fiche zu den Deutschen weiss, was Deutsche während ihres Urlaubs erwarten:
De la clarté et de la précision dans les informations
Bemerkenswert auch: Der niederländische Dialog bricht bei den Frühstückszeiten ab. Von niederländischen Gästen scheint die Frage nach englischem Frühstück nicht zu erwarten zu sein. Auch die Gründe hiefür sind aus der Fiche abzuleiten, denn Niederländer sind insgesamt “des touristes pragmatiques”, “en recherche de gratuité” (unklar ist, inwiefern dies auch niederländischsprachige Belgier, aka Flamen betrifft, bei den Belgiern wird nämlich stets geraten vorher abzuklären, ob sie denn auch frankophon seien). So eindeutig ist die Sache nicht, denn auf der anderen Seite erwarten Niederländer dann eben auch “des informations sur les détails des prestations” und sind “plus autonomes et plus attentifs au détail des préstations”.
Nu weten wij dus wel, waarom Nederlanders in Parijs nooit een antwoord krijgen, als ze bij een hotel aanvragen, of er ook een engels ontbijt verkrijgbaar is …
Ein Insasse des “Manatee County Jail” (also des Bezirksgefängnisses eines Bezirkes im Bundesstaat Florida, das nach der Rundschwanzseekuh benannt ist), wurde gemäss mit einem Affidavit eines Untersuchungsbeamten belegter Onlineberichterstattung wegen Tätlichkeit durch Auswurf von Körperflüssigkeiten angeklagt. Die Anklage basiert auf folgendem Vorwurf:
Der (in der Küche augenscheinlich mit der Zubereitung von Salat für das Wachpersonal betraute) Insasse nahm den Löffel, den er zur Zubereitung des Salates benutzte steckte ihn in seine Hose und rieb damit an seinen Genitalien. Dann gab er den Löffel wieder in den Salat. “Dann nahm der Beschuldigte sogar die Salatschüssel und legte seine Genitalien auf den Salat”. Hernach spuckte er noch in den Salat und ersuchte den Wächter (der offenbar den Zubereitungsvorgang nicht in allen Einzelheiten mitbekommen hatte), zu kosten, ob der Salat nach Wunsch geraten sei.
Nach Common Law scheint “Battery”, ein mit der Tätlichkeit vergleichbarer Tatbestand, auch dann gegeben zu sein, wenn der Täter das Opfer mittels einer durch ihn in Bewegung gebrachten Substanz in unrechtmässigerweise berührt. Darunter scheint am ehesten noch das Bespucken des Salates zu fallen. Der Schilderung des Sachverhaltes ist indes nicht zu entnehmen, ob das Schwenken der primären Geschlechtsorgane in der Salatschüssel für sich genommen bereits als “Battery” zu gelten hätte.
Die Behauptung Michael Douglas’, er habe Krebs infolge Ausübens von Oralsex bekommen, hat zu einem weltweit vermehrten Interesse an sog. “Lecktüchlein” geführt. Wie 20Minuten berichtet sind die Tüchlein 15 mal 25 Zentimeter gross, hauchdünn, aus Latex und schmecken nach Vanille oder Erdbeer. Sie seien nicht erotisch, aber fair, meint das Journal. «Man legt das Tüchlein ganz einfach über jene Körperstellen, die man aus Sicherheitsgründen bedecken möchte – also die Vagina oder den Analbereich», sagt Condomeria-Beraterin Ramona Sujata. Durchschnittlich verkaufe sie eine Packung pro Woche. «Es sind vorwiegend Hetero-Männer, die in Thailand Ferien machen und die wissen, dass die Frauen dort Oralsex mögen», sagt Sujata.
Aha, also nur in Thailand. Abgeraten wird den Knausern sodann vom selbstgemachten Ersatz: «Es gibt zudem solche, die schneiden aus Unwissen lieber ein Kondom auf und benützen dieses dann als Lecktüchlein, doch das kann gefährlich sein», sagt Sujata. Ein Kondom sei dünner und deshalb empfindlicher. Durchs Aufschneiden könne es einen Defekt erhalten und daher nur noch ungenügenden Schutz vor Viren bieten. Sujata: «Schliesslich ist ein Kondom auch kleiner – mit dem Lecktüchlein dagegen kann man eine relativ grosse Körperstelle abdecken.» Dabei kostet die 8er-Packung 16 Franken, nach Adam Riese also 2.- pro Stück. Das ist natürlich schon ein erheblicher Betrag! Verständlich, dass man da sparen will und nach Ersatz sucht. Kondome aufschneiden ist ja auch eine schöne Freizeitbeschäftigung.
Je concevais qu’il ne faut rien regretter de ce qui est irréparable, qu’en un mal sans remède, comme dit Malherbe, il n’en faut pas chercher et que se repentir d’une faute, c’est ajouter proprement à un mal un mal pire encore. Il faut se pardonner beaucoup à soi-même pour s’habituer à pardonner beaucoup à autrui.
Anatole France: Le petit Pierre, Paris 1918, p. 325
Hat der Mann den Nobelpreis nicht zurecht bekommen?
Incrédule à l’oracle de Delphes, loin de chercher à me connaître moi-même, je me suis toujours efforcé de m’ignorer. Je tiens la connaissance de soi comme une source de soucis, d’inquiétude et de tourments. Je me suis fréquenté le moins possible. Il m’a paru que la sagesse était de se détourner de soi-même, de s’oublier soi-même, ou de s’imaginer autre qu’on n’est et par la nature et par la fortune. Ignore-toi toi-même, c’est le premier précepte de la sagesse.
Anatole France: Le petit Pierre, Paris 1918, p. 316
Endlich kommen die wahren Risiken unseres täglichen Lebens ans Tageslicht! Hatten wir bisher gedacht, es sei das Nikotin, vor dem wir uns zu hüten hätten, werden wir durch Michael Douglas und 20Minuten eines besseren belehrt. Tatsächlich ist es der Oralsex! Und sofort fragen wir uns: Gilt hier auch, was für das Nikotin gilt? Dass die wirklichen und wesentlichen Risiken für die Umwelt der Sünder bestehen, also für die Passivraucher bzw. hier wohl die Sich-Hingebenden oder Es-bloss-passiv-Zulassenden oder gar für die Bloss-desinteressiert-Zuschauenden?
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